Sigma Force 01 - Sandsturm
Kugel in den Kopf.
Wenn sie es nur bis zur Kuppelinsel des Lesesaals schaffte und sich dahinter versteckten konnte …
Eine der Scheiben splitterte unter ihrem Knie wie sprödes Eis. Offensichtlich hatte die Explosion sie geschwächt. Sie rollte zur Seite ab, als sie unter ihr nachgab und sich splitternd aus dem Rahmen löste. Einen Augenblick später drang ein schrilles Klirren zu ihr hoch, als Glas auf Marmor traf.
Safia kauerte mitten auf dem riesigen Dach, eine Fliege, gefangen in einem verspiegelten Netz. Und die Spinne würde bald kommen, angelockt vom Splittern des Glases.
Sie brauchte ein Versteck, ein Loch, in das sie kriechen konnte.
Safia schaute nach rechts. Es gab nur ein Loch.
Sie rollte zurück zu dem leeren Rahmen, und mit dem einzigen Gedanken »Flieh« steckte sie die Beine durch den Rahmen und schob sich auf dem Bauch rückwärts. Als ihre Finger den Stahlrahmen zu fassen bekamen, ließ sie sich fallen und hing nun nur noch an ihren Händen über dem dreizehn Meter tiefen Abgrund. Hin und her schwingend, brachte sie sich in eine Position, von der aus sie ihr ursprüngliches Versteck an der Mauer im Blick hatte. Durch das Glas sah sie das Sternenlicht hell und klar. Sie beobachte, wie ein Maskierter über die niedere Mauer spähte und das geodätische Dach absuchte.
Safia hielt den Atem an. Von außen betrachtet, wirkte das Glasdach im Licht der Sterne wie ein Spiegel. Eigentlich sollte sie unsichtbar sein. Aber schon jetzt verkrampften sich ihre Armmuskeln, und der scharfe Stahl schnitt ihr in die Finger. Und sie brauchte ja auch noch Kraft, um sich wieder hochzuziehen.
Sie schaute nach unten in den dunklen Innenhof. Ein Fehler. Sie war zu hoch oben. Das einzige Licht kam von einer Hand voll rot leuchtender Sicherheitslampen an der Wand. Dennoch entdeckte sie die zersplitterte Scheibe unter ihren Füßen. Dasselbe würde mit ihren Knochen passieren, wenn sie abstürzte. Ihre Finger packten noch fester zu, das Herz klopfte heftiger.
Sie riss den Blick vom Abgrund los und schaute gerade rechtzeitig wieder hoch, um zu sehen, dass der Maskierte über die Mauer kletterte. Warum tat er das? Nun betrat er auch noch das Dach, wobei er die Füße fast ausschließlich auf den Stahlrahmen stellte. Er kam direkt auf sie zu. Woher wusste er Bescheid?
Dann dämmerte es ihr. Auch ihr waren die mit Plastikfolie bedeckten Löcher im Dach aufgefallen. Sie waren wie fehlende Zähne in einem strahlenden Lächeln. Es gab nur eine Lücke, die keine solche Plastikabdeckung hatte. Offensichtlich nahm der Mann an, dass sie hindurchgefallen war, und wollte jetzt nachsehen, um ganz sicherzugehen. Er bewegte sich flink und geschickt, ganz anders als sie bei ihrem panischen Krabbeln. Mit der Pistole in der Hand kam er rasch auf ihr Versteck zu.
Was blieb ihr jetzt noch übrig? Davonlaufen konnte sie nicht mehr. Sie überlegte, ob sie einfach loslassen sollte. So hätte sie ihren Tod wenigstens selbst in der Hand. Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihre Finger schmerzten. Sie musste nur einfach loslassen. Aber ihre Finger wollten sich nicht öffnen. Panik hielt sie gekrümmt. So hing sie einfach nur da, als der Mann die letzte Scheibe überquerte.
Als er sie schließlich entdeckte, trat er überrascht einen Schritt zurück und schaute dann auf sie herunter.
Gelächter perlte, tief und dunkel.
In diesem Augenblick erkannte Safia ihren Fehler.
Eine Waffe zeigte auf ihre Stirn. »Sagen Sie mir die Kombination …«
Ein Schuss krachte. Glas splitterte.
Safia schrie, rutschte mit einer Hand ab und hing nur noch an der anderen. Finger und Schulter wurden überdehnt. Erst jetzt bemerkte sie den Schützen unten auf dem Boden. Eine vertraute Gestalt. Der Amerikaner.
Er stand mit gespreizten Füßen auf dem Marmor und zielte zu ihr hoch.
Sie blickte wieder nach oben.
Die Glasscheibe, auf der ihr Angreifer gestanden hatte, war in tausend Stücke zersplittert, die nur noch von dem Sicherheitsdrahtnetz zusammengehalten wurden. Der Dieb taumelte nach hinten, fuchtelte mit den Armen und verlor die Pistole. Sie flog hoch in die Luft und landete dann schwer auf der zersplitterten Scheibe. Die Waffe fiel durch das kaputte Glas und trudelte hinunter auf den Boden.
Der Dieb rannte über das Dach und auf den Schutz der Mauer zu.
Der Amerikaner unten schoss und schoss, eine Scheibe um die andere splitterte. Er verfolgte den Dieb, aber der war ihm immer einen Schritt voraus. Als er die Mauer schließlich erreichte, schwang er
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