Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Signale

Signale

Titel: Signale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
Vom Netzwerk:
noch von dem Schock, in den ihn der Anblick des Raumschiffs – ein Raumschiff – und der Besatzung versetzt hatte.
    Er vermochte seine Augen nicht von Eisele abzuwenden, wie Marchand bemerkte. Für den Kapitän waren es dreißig Jahre in einem Affenkörper gewesen. Es war nun ein alter Affe. Lafcadio würde jetzt mehr als zur Hälfte wie ein Affe denken, das menschliche Gedankengerüst war nur eine Erinnerung, die mit jedem Tag schwächer wurde, unter den Eindrücken der beharrten Handrücken und den auswärts gebogenen Greifbeinen verschwand. Marchand selbst konnte fühlen, wie sich bei ihm so etwas wie ein Affenverstand wieder einschlich, obschon er wußte, daß es sich nur um eine Einbildung handelte.
    Aber war es Einbildung? Asa Czerny hatte gesagt, die Imposition würde sich als instabil erweisen – es hatte etwas mit dem Phosphatid zu tun – er vermochte sich nicht zu entsinnen. In der Tat vermochte er sich nicht an alles mit der Klarheit und Sicherheit zu erinnern, wie er es gewünscht hätte, und das lag nicht allein daran, daß sein Verstand sechsundneunzig Jahre alt war.
    Ohne Emotion erkannte Marchand, daß die erhofften Monate oder Wochen zu ein paar Tagen zusammengeschmolzen waren.
    Natürlich konnte es der pochende Schmerz zwischen seinen Schläfen sein, der ihn seiner geistigen Klarheit beraubte. Aber Marchand genoß den Gedanken nur kurz und schob ihn beiseite; wenn er Mut genug besaß, einzusehen, daß sein Lebenswerk verdorben war, konnte er sich auch mit der Tatsache abfinden, daß der Schmerz nur ein zweitrangiger Vorbote des Mörders war, welcher seinen Affenkörper beschlich. Aber der Schmerz erschwerte ihm die Konzentration. Wie durch einen Schleier vernahm er die Worte des Kapitäns und seiner Mannschaft – die zweiundzwanzig transformierten Schimpansen, die den Flug der Tycho Brahe und die dreitausend gefrorenen Körper an Bord beaufsichtigten. Durch ein tiefes, verwirrendes Rauschen hörte er Eisele seine Instruktionen zum Einbau des ÜL-Antriebs, den das kleine Schiff mitführte, in die große, sich dahinschleppende Arche geben, welche durch seinen Kasten die Sterne in einer Tagesreise durchmessen konnte.
    Er bemerkte, daß sie ihn von Zeit zu Zeit mitleidig anblickten.
    Er wollte ihr Mitleid nicht. Er wollte nur dabei sein, bis er starb, und sie und er wußten, daß nicht mehr viel Zeit verblieb; und er versank, während sie noch redeten, in eine schmerzerfüllte, schwindelnde Träumerei, die anhielt, bis – er wußte nicht, wieviel Zeit verging – er sich auf einem Polster im Kontrollraum des Raumschiffs angeschnallt fand und die zusätzliche, bedrückende Qual wieder spürte, welche anzeigte, daß sie erneut durch die Räume anderer Dimensionen glitten.
    »Sind Sie in Ordnung?« fragte eine bekannte, schwerfällige und undeutliche Stimme. Es war das andere, letzte Opfer seines Fehlschlags, jenes namens Ferguson. Marchand gab zu verstehen, daß er in Ordnung war.
    »Wir sind fast am Ziel«, sagte Ferguson. »Ich dachte, es würde Sie interessieren. Da ist ein Planet. Bewohnbar, nehmen sie an.«
    Von der Erde aus war der Stern, den man Groombridge 1618 nannte, mit dem bloßen Auge nicht sichtbar. Durch das Fernglas konnte man vielleicht ein schwaches Lichtpünktchen entdecken, verloren unter zahllosen ferneren, aber helleren Sternen. Von Groombridge 1618 aus war Sol nicht mehr viel.
    Marchand erinnerte sich an den Kampf, den es ihn gekostet hatte, sich aus dem Polster zu erheben, daß er die Sorge auf Fergusons Affengesicht mißachtete, um einen Blick zurück auf den Schirm zu werfen, der Sol zeigte. Ferguson hatte sie für ihn anvisiert, und Marchand sah das Licht, das seit fünfzehn Jahren unterwegs war. Die Photonen, die jetzt auf seine Augen trafen, hatten die Erde in die Farbe des Sonnenuntergangs getaucht, als er um die Siebzig war und seine Frau erst seit ein paar Jahren betrauerte … Er erinnerte sich nicht, wie er auf das Polster zurückgekehrt war.
    Er entsann sich auch nicht, zu welchem Zeitpunkt ihm jemand über den Planeten berichtete, den sie zu besitzen hofften. Er hing unterhalb der kleinen orangenen Scheibe von Groombridge 1618 – zumindest, wenn man von solaren Verhältnissen ausging. Bei der ersten Annäherung, die der Kapitän vornahm, stellte sich seine Umlaufbahn als ziemlich unregelmäßig heraus, doch bei der geringsten Entfernung vom Zentralgestirn würde er noch immer etwas weniger als zehn Millionen Meilen von diesem Feuerofen entfernt sein. Nahe genug.

Weitere Kostenlose Bücher