Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Signale

Signale

Titel: Signale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
Vom Netzwerk:
betrug – während auf der Erde seine Familie schon lange tot, seine Freunde zu Staub zerfallen waren.
    Es war die Sache wert. So hatten die Kolonisten geglaubt. Gedrängt von dem Wurm, der durch das Rückgrat des Entdeckers kriecht, getrieben von dem Jucken der Neugier; von dem Gedanken an die Gesundheit, die Kraft und die Freiheit, die eine neue Welt ihnen zu schenken vermochte, von dem Gedanken an den Rang, den sie in den Geschichtsbüchern einnehmen würden – nicht den Rang eines Washington oder eines Christus. Ihnen würde die Bedeutung eines Adam, die Bedeutung einer Eva zukommen.
    Es war die Sache wert, hatten Tausende gedacht, als sie sich freiwillig meldeten und losflogen. Aber wie würden sie nach der Landung darüber denken!
    Wenn sie landeten, ohne die Wahrheit zu wissen, falls ein Schiff wie Eiseles sie verfehlen und sie nicht informieren würde, mußten sie vor der ungeheuerlichsten Enttäuschung stehen, der ein Mensch ausgeliefert werden konnte. Bis zur endgültigen Ankunft hatte die Groombridge-1618-Expedition an Bord der Tycho Brahe noch vierzig Jahre vor sich. Durch Eiseles Erfindung des Überlichtantriebs würde ein bewohnbarer Planet längst von Hunderttausenden von Menschen bevölkert sein, würden die Fabriken schon an der Arbeit sein, die Straßen gebaut, das beste Land vergeben, die Geschichtsbücher schrieben bereits das fünfte Kapitel … und was würden die dreitausend alternden Abenteurer dann denken?
    Marchand stöhnte und schüttelte sich, aber er vermochte seine Gedankengänge nicht zu beenden, weil das Schiff abhob und die Beschleunigung seinen Brustkorb gegen die Wirbelsäule preßte.
     
    Während der Polyflektor sie in das All riß, schwebte er durch die Pilotenzentrale; er suchte die Gesellschaft der anderen. »Isch wahrr nuch nüchd um Rraumb«, sagte er.
    Eisele sagte mit großer Hochachtung: »Ihre Arbeit mußte auf der Erde geleistet werden.«
    »Jah, sücherr.« Damit beließ Marchand es. Ein Mann, dessen ganzes Leben versaut war, beanspruchte etwas Menschlichkeit, und was er beanspruchte, war das Recht, daß sie darüber schwiegen.
    Aufmerksam beobachtete er, wie Eisele und Ferguson ihre Instrumente ablasen und mikrometrische Maßnahmen am Polyflektor trafen. Er verstand nicht alles an dem Überlichtantrieb, aber er wußte, daß eine Karte eine Karte war. Das dort war eine Doppellinie, welche den Kurs der Expedition nach Groombridge 1618 darstellte. Die Tycho Brahe war ein Lichtpunkt, der sich etwa auf einem Fleck befand, hinter dem neunzig Prozent der Distanz zwischen Sol und dem Groombridge-System lagen, was etwas weniger als zwei Drittel der Flugdauer entsprach.
    »Massendetektoren, Dr. Marchand«, sagte Eisele heiter und deutete auf die Karten. »Es ist günstig, daß sie noch nicht näher an das System herangekommen sind, sonst würden die Detektoren sie nicht anzeigen.« Marchand begriff: Zwischen den Sonnen und Planeten würde das Schiff mit seiner geringen Geschwindigkeit nicht genug Masse darstellen, um von den Detektoren herausgesondert werden zu können. »Und es ist gut«, fügte Eisele besorgt hinzu, »daß sie noch nicht weiter entfernt sind. Wir werden genug Schwierigkeiten damit haben, uns ihrer Geschwindigkeit anzupassen, obwohl sie bereits seit neun Jahren abbremsen … Wir sollten uns anschnallen.«
    Auf seinem Polster bereitete sich Marchand auf einen neuen Beschleunigungsstoß vor. Aber es war nicht das; es war etwas anderes und weitaus Unangenehmeres.
    Es war wie ein Fleischwolf, der sein Herz und seine Nerven zermalmte und als seltsam deformierte Gebilde wieder ausspuckte.
    Es war wie die schwindelerregende Übelkeit, die einen nach einer Fahrt auf der Achterbahn überfiel, oder wie die Seekrankheit bei einem Wirbelsturm, wenn man in einem winzigen Boot saß.
    Es war wie eine Weinpresse, die ihm den Hals zudrückte und sein Herz zerquetschte.
    Wohin es sie auch schleuderte, jedenfalls, die Profilkarten zeigten es an, die Sterne rutschten, schlitterten und stürzten in neue Positionen.
    Marchand, eingetaucht in den bedrückendsten Kopfschmerz des Jahrhunderts, wußte kaum, was geschah, aber er wußte, daß sie in den nächsten Stunden die Tycho Brahe finden würden, die dreißig Jahre bis zu ihrer gegenwärtigen Position gebraucht hatte.
     
4.
     
    Der Kapitän der Tycho Brahe war ein ehrwürdiger Schimpanse mit gelben Fangzähnen und trug den Namen Lafcadio; seine braunen Tieraugen waren mit Schrecken erfüllt, seine langen, sehnigen Arme zitterten

Weitere Kostenlose Bücher