Signale des Körpers: Körpersprache verstehen (German Edition)
braucht man Kriterien. Ohne Maßstäbe kann man nicht messen, ohne eine Vorgabe dessen, was man untersuchen will, können keine Resultate entstehen. Unsere Oberbegriffe Haltung, Mimik, Gestik, Abstand und Tonfall waren Wahrnehmungs-Kriterien, die uns (ähnlich Hilfslinien) dienen, um uns ein »Bild« zu machen. Wenn wir nun ein Signal wahrnehmen und verbalisieren können, dann haben wir damit den notwendigen ersten Schritt getan: wir haben beschrieben (s. Vorwort). Über die Bewertung des Signals sagt unsere Verbalisierung jedoch noch nichts aus.
Was aber wollen wir erfahren? Welche Schwerpunkte wollen wir setzen? Was können wir beachten?
Jede »Anweisung«, die jemand Ihnen nun geben wird, wird die Art und Weise wie Sie sich und andere in Zukunft sehen u. U. stark beeinflussen können. Deswegen möchte ich Sie bitten, die folgenden Gedankengänge nur als eine mögliche Betrachtungsweise zu sehen. Es gibt auch andere. Stellen Sie Ihre eigenen Reaktionen beim Lesen fest.
Seien Sie besonders kritisch. Denn, in diesem Kapitel geht es genaugenommen schon um eine philosophische Frage: »Worauf soll man achten, wenn man sich und andere beurteilen will?« Ein Mensch hält Spontaneität für ein wichtiges Kriterium, ein anderer Ehrlichkeit, wieder ein anderer legt auf Selbstdisziplin großen Wert (so daß er Spontaneität anders bewerten wird, als jener, dem gerade diese so wertvoll erschien). Weiter mag jemand es für wichtig halten, ob die beobachteten Signale seinen Vorstellungen von »gutem Benehmen« entsprechen, weil er Höflichkeit für ein wichtiges Kriterium hält. So jemand neigt eher dazu, ein Gähnen des anderen, insbesondere wenn ohne vorgehaltene Hand ausgeführt, als »negativ« zu bewerten, bzw. dieses Signal sogar als Unhöflichkeit ihm gegenüber, sprich als »feindseliges« Signal, zu interpretieren.
Welche Schwerpunkte zu setzen sind, muß letztlich jeder für sich entscheiden, aber oft hilft eine Diskussion über mögliche Kriterien, um die eigenen exakter zu definieren!
3.2 Ehrlichkeit/Aufrichtigkeit
Dies ist ein Kriterium, das von fast allen Seminarteilnehmern übereinstimmend als »Hauptkriterium« angesehen wird. Ich möchte hier zur Vorsicht raten. Erstens: Wie ehrlich ist »ehrlich«? Zweitens: Haben Sie eine klare Antwort auf die Frage, ob »absolute« Ehrlichkeit nicht manchmal sehr verletzend sein könnte und inwieweit sie überhaupt anzustreben sei? Drittens: Sind Sie so sicher, daß Sie sich selbst bzw. andere nie belügen?!?! (Sei es aus Unsicherheit oder Verlegenheit, sei es in Form einer »höflichen« Lüge, sei es weil Sie irgend etwas vielleicht nicht wahrhaben wollen/können?)
Interessanterweise habe ich oft festgestellt, daß gerade diejenigen, die so sehr viel Wert darauf legen, andere bei eventuellen Lügen zu ertappen, es selbst mit der Wahrheit nicht immer so genau nehmen. Hier liegt die psychoanalytische Schlußfolgerung nahe, daß sie, eben weil sie von sich auf andere schließen, vor der Unehrlichkeit anderer so viel Angst haben. Außerdem: Wenn jemand aus Angst vor den Folgen lügt, oder weil er einen anderen nicht verletzen will, dann sind die Motive völlig verschieden. Darauf nehmen aber die »Wahrheitsfanatiker« meist keine Rücksicht, eben weil sie über das Kriterium der Ehrlichkeit noch nicht genügend nachgedacht haben!
3.4 Spontaneität/Selbstdisziplin
Je spontaner eine Reaktion, desto unbedachter ist sie auch. Wenn man auf Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit großen Wert legt, wird man Spontaneität eher »positiv« empfinden, als wenn man Selbstdisziplin höher bewertet. Nun befinden sich die Signale ja immer »eingebettet« in die Gesamtsituation, so daß es durchaus Momente geben kann, in denen freies, offenes, ungezwungenes, spontanes Verhalten »positiver« anmuten mag als verhaltenes, diszipliniertes Betragen. Weiter sollten gerade diejenigen, die Spontaneität im Zweifelsfalle immer für »besser« halten, sich darüber im klaren sein, daß auch eine Taktlosigkeit sehr spontan war. Taktlosigkeiten sind eben Reaktionen, die jemand aussandte, ehe er über seine Worte nachgedacht hatte! Deswegen amüsiere ich mich im stillen manchmal über eine Person, die ich kenne, die einerseits fordert, man solle immer spontan sein, die aber gleichzeitig sehr leicht beleidigt ist, wenn ihr Bruder sie spontan mit einer seiner »Taktlosigkeiten« verletzt. Hieraus sehen wir wieder einmal, wie schwer es ist, »absolute« Maßstäbe für das Beurteilen körpersprachlicher
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