Signum - Die verratenen Adler
Silanus.
»Du sollst sofort zum Tribun kommen«, keuchte er. »Es ist dringend.« Caius runzelte die Stirn. Was konnte jetzt so wichtig sein? Ging es Silanus schlecht? Gab es Neuigkeiten aus dem Stab, die ihn betrafen? Der Sklave nahm ihm die Fackel ab und blickte ihn auffordernd an. »Ich vertrete dich hier«, sagte er.
Caius schwang sich auf das Pferd und trieb es in Richtung des Kommandozeltes. Ãberall liefen Menschen umher und lagerten an kleinen Feuern, viele hatten sich auf dem Boden eingerollt, und wieder mischte sich das Stöhnenvon Verwundeten unter das Tuscheln und Raunen der Soldaten.
Er fragte einen Prätorianer nach Silanus. Der Mann wies auf ein kleineres Zelt neben dem des Statthalters. Caius lenkte das Pferd bis vor den Eingang, lieà sich aus dem Sattel gleiten und trat zwischen den beiden Wachen durch.
Als Erstes sah Caius Silanus, der auf einer Pritsche saÃ, einen Becher Wein in der Hand hielt und ihm spitzbübisch entgegengrinste. Gerade als er zu einer spöttischen Bemerkung ansetzen wollte, bemerkte er, dass Silanus nicht allein war.
Seine Knie wurden weich.
Neben seinem Onkel stand Fastrada.
35
Fastrada hatte einen scheinbar endlosen Tag hinter sich. Seit ihrem Aufbruch hatte sie fast die ganze Zeit im Sattel verbracht, ohne wirklich vorwärtszukommen. Das plötzliche Erscheinen berittener Pulks hatte sie mehrmals gezwungen, sich weit von der Spur der Römer zu entfernen und sich im Wald zu verstecken. Von Zeit zu Zeit hatte sie das Getöse der Kämpfe vernommen. Schreie, Klingenhiebe auf Holz und Metall, Aufeinanderprallen von Schilden, Wiehern von Pferden und Hufgetrappel waren von irgendwoher durch das Rauschen der Baumwipfel und das Plätschern des Regens geschallt. Und jedes Mal war sie erschauert bei dem Gedanken, dass Caius in diesem Moment vielleicht von Irmins Leuten niedergemacht wurde. Die Ungewissheit war furchtbar gewesen.
Als es anfing zu dämmern und sie schon gar nicht mehr glaubte, die Spur der Römer wiederzufinden, war ein Wunder geschehen: Vor ihr hatten sich die Bäume geöffnet und den Blick auf eine weite Ebene freigegeben, auf der sich die Konturen eines Lagers abgezeichnethatten, eine gewaltige Anlage, von Erdwällen umgeben, auf denen die Fackeln der Wachen auf und ab wanderten. Sie war zu einem der Durchlässe galoppiert und hatte die äuÃerst misstrauischen Soldaten wie selbstverständlich nach Caius Cornelius Castor gefragt.
Einer der Legionäre hatte sich erinnert, dass es im Stab einen Tribun gab, der, wie er sich ausgedrückt hatte, irgendwie mit diesem Castor verwandt war. Er hatte die Satteltasche ihres Pferdes nach versteckten Waffen durchsucht und sie dann zu einem Zelt in der Mitte des Lagers begleitet. Dort hatte ein junger Mann mit feinem, fast weiblich geschnittenem Gesicht und ziemlich verdreckter Uniform auf einer Pritsche gesessen, den der Legionär als Publius Cornelius Silanus vorgestellt hatte und der sofort begriffen hatte, wer sie war. Beiläufig und mit befehlsgewohnter Stimme hatte er einen Sklaven losgeschickt, um Caius zu holen, und dabei gar nicht gemerkt, dass er aussprach, was Fastrada kaum noch zu hoffen gewagt hatte: Caius lebte. Der Sklave hatte sich auf den Weg gemacht, und Fastrada hatte das Gefühl gehabt, vor Erleichterung ohnmächtig zu werden.
Und jetzt stand Caius mit offenem Mund vor ihr. Sein Gesicht sah schrecklich aus, verschrammt und so geschwollen, dass von seinem linken Auge unter einer dunkel verkrusteten Braue nur ein schmaler Schlitz in einer teigigen blaugrünen Masse geblieben war. Wortlos ging er auf sie zu und nahm sie in die Arme, eine Welle des Glücks überflutete sie und spülte die Strapazen der vergangenenTage weg. Tränen schossen ihr in die Augen, dann begann sie zu schluchzen. Caius hielt sie fest, ohne ein Wort zu sagen. Irgendwann löste er sich von ihr und schaute sie an.
»Du siehst furchtbar aus«, sagte sie, und im selben Moment hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen.
Er lachte, dabei sah sein linkes Auge aus, als wäre es nicht mehr ein Teil von ihm, sondern eine lieblos aufgetragene und dunkel angepinselte Masse aus Fleisch und Haut.
»Ich weiÃ. Aber ich fühle mich gar nicht so.«
»Rührend«, meldete sich Silanus zu Wort. »Mein lieber Caius, ich beneide dich.« Dann blickte er zu Fastrada. »Dich natürlich auch.«
Fastrada lächelte. »Aber nicht um
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