Signum - Die verratenen Adler
konnte. Der Andrang ebbte nur langsam ab, denn als alle versorgt waren, stellten sich die Ersten für eine zweite oder drittePortion an. Es war die reinste Belagerung. Die meisten Männer hatten sich in Gruppen auf der Wiese niedergelassen.
Becher wurden gestürzt, Lachen brandete auf. Als der Ochse fast kein Fleisch mehr auf den Rippen hatte, lieà das Geschiebe endlich nach.
Dieser Caius hatte sich die ganze Zeit über nicht sehen lassen. Als Fastrada schon fürchtete, er würde nicht wieder auftauchen, stand er auf einmal vor dem Wagen. Sie sprang zu Boden und landete direkt vor seinen FüÃen, fast etwas zu nahe. Im Rücken spürte sie den missbilligenden Blick der anderen Frau, doch sie achtete nicht darauf.
»Ich glaube, da möchte jemand nicht, dass du den Posten verlässt«, flüsterte er ihr zu.
»Die hat mir nichts zu sagen. Komm mit, wir gehen ein Stück.« Sie lief ein paar Schritte in den Wald hinein, und er folgte ihr. Was tue ich hier eigentlich, dachte sie. Es konnte Gerede geben, wenn sie beobachtet wurde, wie sie mit einem Fremden, und auch noch mit einem Römer, im Wald verschwand.
Aber es war aufregend. Hoffentlich verstand er das nicht falsch. Dann waren sie auÃer Sichtweite. Zwischen den Stämmen loderten die Feuer hindurch und das Stimmengewirr drang nur gedämpft herüber. Sie blieben an einer dicken Buche stehen.
»Was hast du eigentlich bei denen da zu tun?«, fragte sie und wies mit dem Kopf zur Lichtung. »Soldat bist du nicht. Und arbeiten musst du anscheinend auch nicht.«
Er lachte. »Das ist eine ganz schön lange Geschichte.«
»Dann lass mal hören!«
Und er begann zu berichten. Was er sagte, klang unglaublich. Sein Vater musste in Rom ein furchtbar wichtiger Mann sein, dass er von Augustus persönlich einen Auftrag bekommen hatte, der ihn nach Varus zum mächtigsten Mann in Germanien gemacht hätte. Und jetzt, wo er krank war, war sein Sohn mit einem Freund aufgebrochen. Sie beneidete ihn um seine Freiheit. Er war fünfzehn, und er konnte tun und lassen, was er wollte. War das normal bei den Römern?
»Und du?«, fragte er plötzlich unvermittelt. »Du spielst die Bäuerin, aber du sprichst ausgezeichnet Latein. Es kann ja sein, dass wir euch unterschätzen. Aber eine Gemüseverkäuferin, die Flaccus aus dem Gedächtnis rezitiert, findest du noch nicht mal in Rom.« Er kam ein Stück näher und sah ihr in die Augen. »Wer bist du?«, fragte er.
Ihre Gedanken rasten. Sein Gesicht war nur noch zwei Handbreit von ihrem entfernt.
»Soll ich raten?«, setzte er nach.
»Rate«, erwiderte sie, um Zeit zu gewinnen.
»Du bist keine Bäuerin. Du gehörst zum Stammesadel. Jemand aus deiner Familie arbeitet mit uns zusammen.« Sein Gesicht war nun ganz dicht an ihrem und ihr Herz fing so wild an zu klopfen, dass sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. »Dein Vater?« Er stützte sich mit den Händen an dem Baumstamm ab, an den sie gelehnt stand, und sein Atem streifte ihre Wange.
»Nein«, sagte sie leise.
Er kam noch näher, sodass sich ihre Nasenspitzen berührten. »Dein Bruder.« Er flüsterte fast.
In ihrem Kopf blitzte der Gedanke auf, dass sie sich von ihm küssen lassen könnte, nur um zu verhindern, dass er weiterfragte. Andererseits warnte ein Instinkt sie, dass es besser war, ihn nicht zu schnell seinen Willen bekommen zu lassen.
Sie schlüpfte unter seinem rechten Arm durch und trat rückwärts neben den Baum. »Machst du das bei allen so?«, fragte sie.
Er lächelte und ging einen Schritt auf sie zu. Sie wich hinter den Baumstamm zurück. Er setzte nach. »Wie, bei allen?«
»Frag nicht so dumm. Bei allen Mädchen in Rom.«
Er lachte schelmisch. »Das fragen alle.« Die Antwort war eigentlich ziemlich unverschämt, dabei aber so entwaffnend ehrlich, dass einen Augenblick lang ihre Verblüffung stärker war als ihre Vorsicht.
»Fragen das wirklich alle?« Sie wich ihm wieder aus.
Er rückte nach. »Eigentlich nicht.«
»Was heiÃt denn
eigentlich
?«
»Na, so viele waren es jetzt auch nicht.«
Sie versuchte streng zu blicken. »Du lügst. Du und dein Freund da. Der ist bestimmt genauso schlimm wie du.«
Caius lachte jetzt lauthals auf, ohne dass sie verstand warum.
»Was gibtâs da zu lachen?«
»Du kennst Lucius nicht. Der ist viel
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