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Signum - Die verratenen Adler

Signum - Die verratenen Adler

Titel: Signum - Die verratenen Adler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Roemling
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hatte dann aber eingewilligt, ohne weitere Fragen zu stellen. Vielleicht hatte er geglaubt, dass sie nun doch begann sich für seine Absichten zu erwärmen.
    Schon am Morgen des großen Tages erreichte sie in einem Wagenzug das Gelände. Sie kannte die Elstersteine. Vor einigen Jahren hatte Irmin sie einmal auf einen Ausritt dorthin mitgenommen und ihr mit verschwörerischem Gebaren ein Geheimnis gezeigt: Auf der zerklüfteten Nordseite eines besonders großen, schräg stehenden Felsenturms waren in regelmäßigen Abständen Haken in den Stein getrieben worden, über die man Seile werfen konnte, um bis auf die Spitze zu klettern.
    Den Tag brachte sie in Gesellschaft der anderen Frauen zu, die in schwatzender Geschäftigkeit im Dorf das Essen zubereiteten. Dreißig Ochsen waren bereits gebraten worden und sollten nun mit hundertachtzig Spanferkeln, Obst, Wein und Bier zum westlichen Rand der riesigen Lichtung gebracht werden. Weil ihr bei der Vorbereitung des Gelages keine bestimmte Aufgabe zugewiesen worden war, führte Fastrada verschiedene Handlangerdienste aus und stahl sich zwischendurch mehrmals davon, um im Schutz der Bäume die Ankunft der Menschenmassen zu beobachten, die aus allen Richtungen zusammenströmten. Einmal sah sie Irmin zwischen den Männern. Er saß auf seinem Schimmel und wies einigen Neuankömmlingen ihre Plätze auf der Wiese zu.
    Als sie sich am Abend noch einmal wegschlich, entdeckte sie im hinteren Teil der Lichtung ein paar Reiter in glänzenden Rüstungen, deren Anführer eine Standarte trug. Offenbar waren sie die Vorhut einer größeren Abteilung, denn hinter ihnen spuckte der Wald immer mehrReiter aus. Die Römer kamen. Überall glitzerte Metall in der Abendsonne, und als die ersten den kunterbunten Haufen der Cherusker erreicht hatten, der sich nun wie auf ein unsichtbares Zeichen hin zu teilen begann, erschienen Fußsoldaten in Marschformation, ebenfalls angeführt von aufragenden Feldzeichen, die von Männern mit Tierfellen getragen und von Hornbläsern begleitet wurden. Den Abschluss bildeten wieder Reiter. Wie eine steife, schillernde Schlange schob sich der Heerzug vorwärts. Nachdem auch der letzte Mann in der lärmenden Menschenmasse auf der Wiese verschwunden war, erkannte Fastrada die Römer nur noch an den Standarten und an der geometrischen Aufstellung der glänzenden Helme, die in eiserner Disziplin wie Fremdkörper mitten im Gewühl der wilden Krieger standen.
    Nach einer Weile ging ein Raunen durch die Menge, und alle blickten nach oben. Und da stand er: Irmin hatte den schräg stehenden Felsen erklommen und posierte, mitreißend und bedrohlich zugleich, im Brennpunkt der Aufmerksamkeit seiner Anhänger – und seiner Verbündeten, die nun ebenfalls gezwungen waren, zu ihm aufzuschauen.
    Während die Menge zu toben begann und immer wieder seinen Namen schrie, verharrte Irmin regungslos auf dem Felsen und genoss die Verehrung, die ihm stampfend und brüllend entgegengebracht wurde. Klarer als in all den Wochen, seit sie in sein Vorhaben eingeweiht worden war, begriff Fastrada nun, dass er dort oben nichts anderes feierteals sich selbst. Mit einem starken Gefühl von Widerwillen beobachtete sie die Begeisterungsstürme, die sich einem Vulkanausbruch gleich entluden. Ihr wurde klar, dass diese Männer Irmin, ohne nachzudenken, überallhin folgen würden. Noch bevor ihr Cousin das Wort ergriff, wandte Fastrada sich zum Gehen. Während sie tiefer in die wohltuende Kühle der Baumschatten eintauchte, hörte sie undeutlich die ersten Wortfetzen seiner Ansprache.
    Die anderen Frauen schienen ihre Abwesenheit gar nicht bemerkt zu haben und ehe sie sich versah, wurde sie einem Karren zugewiesen, auf den ein Balkengestell mit einem gebratenen Ochsen am Spieß montiert war, der über einem auf kleinen Stelzen gelagerten Metallbecken mit glühender Kohle schwebte. Der Wagen wurde von zwei Ochsen gezogen und stand abfahrbereit in einer Kette aus ähnlichen Gefährten, die eigens für diesen Abend konstruiert worden waren. Die Hitze der Kohlebecken schwamm zusammen mit dem unwiderstehlichen Duft von gebratenem Fleisch über den Dorfplatz und stieg in wabernden Schlieren in den vom schwindenden Tageslicht kaum noch erhellten Himmel. Auf ein Kommando setzte sich der Zug in Bewegung, schwenkte in den Wald ein und erreichte nach einem weiten Bogen die Lichtung, von der

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