Signum - Die verratenen Adler
schlimmer als ich.« Er lachte noch einmal, als erinnerte er sich an eine Anekdote, die das belegen konnte. Sie hatten den Baum inzwischen einmal umrundet.
»Wie gemein. Du verleumdest ihn.«
»Ich glaube, er wäre eher stolz drauf.« Er war nun dicht vor ihr. Sein Mund schob sich vor, sie drehte den Kopf weg, und sein Kuss traf sie auf der Wange.
»Und du natürlich nicht.«
Er arbeitete sich sanft auf ihre Lippen zu. Fastrada spürte eine Gänsehaut am ganzen Körper, als er sie erreichte. Diesmal drehte sie den Kopf nicht weg, sondern erwiderte seinen Kuss.
Ihre Hände, die sich zuerst gegen seine Brust gestemmt hatten, sanken herab und wanderten um seine Taille. Auch er umschlang sie, nicht fordernd und gierig, sondern sanft.
Fastrada schloss die Augen. Ein aufregendes Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus, benebelte ihre Sinne und betäubte ihren Verstand. Sie vergaà alles um sich herum. Er nahm ihr Gesicht in die Hände und bedeckte es mit Küssen.
Plötzlich knackte in einiger Entfernung ein Zweig. Erschrocken öffnete Fastrada die Augen. Zwischen den Bäumen erschien eine leicht schwankende Gestalt und verschwand hinter einem Gebüsch. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, wo sie eigentlich waren. Sie löste sich widerwillig aus der Umarmung. »Ich muss zurück«, sagte sie.
Er nickte. »Treffen wir uns morgen Abend wieder hier?«, fragte er.
Sie lächelte und zog eine Augenbraue hoch. »Mal sehen.«
25
Lucius seufzte, nachdem Caius ihm von seinem Treffen mit Fastrada im Wald erzählt hatte. Fastrada. Das Gesicht hatte endlich einen Namen.
Die beiden Freunde lagen in einem Lederzelt, das hinter den Elstersteinen mit mehr als dreihundert anderen für die römischen Soldaten errichtet worden war. Nur der Statthalter, die Legaten und ihr Gefolge hatten etwas komfortabler in einem Gehöft übernachtet. Lucius hatte die längere Abwesenheit seines Freundes auf dem Fest gar nicht bemerkt, weil er von einem der Standartenträger in ein längeres Gespräch verwickelt worden war. Dabei hatten sie ziemlich viel getrunken. Wie hätte man vor den Cherumplern denn sonst dagestanden, hatte sich Lucius auf dem Weg ins Zelt mit schwerer Zunge gerechtfertigt. Dementsprechend übel war ihm jetzt, und die Hitze, die sich unter den zusammengenähten Häuten gestaut hatte, machte ihm zusätzlich zu schaffen. Es musste schon Mittag sein. Lucius rieb sich den Schädel, während Caiusâ Gedanken unaufhörlich um Fastrada kreisten. Was wussteer von ihr? Wenn er das Gespräch, das dem Kuss vorangegangen war, noch einmal Revue passieren lieÃ, hatte er fast den Eindruck, dass sie ihm etwas verheimlichte. Fragen über ihre Familie war sie ausgewichen. Lucius hatte eingeworfen, dass sie vielleicht jemandem versprochen war. Wenn man bedachte, dass sie ungefähr in seinem Alter war, dann war diese Möglichkeit gar nicht so abwegig.
Caius richtete sich auf und kämpfte sich durch Decken und Kleidungsstücke aus dem Zelt. Als das Tageslicht durch den Eingang drang, stöhnte Lucius hinter ihm auf und vergrub den Kopf unter den Armen.
DrauÃen war es schwül und etwas diesig. Die Sonne stand hoch am Himmel. Es herrschte der übliche träge Betrieb nach einem Festgelage. Legionäre saÃen in kleinen Gruppen auf dem Boden und sprachen heiser miteinander. Zeltplanen wurden zur Seite geschlagen und verkaterte Gestalten krochen stöhnend ins Freie, rieben sich Nacken und Gelenke und grinsten den bereits halbwegs zum Leben erwachten Kameraden zu. Wenn die Cherusker ein Fest daran maÃen, wie viel getrunken wurde, dann war es eine gelungene Veranstaltung gewesen.
Caius umrundete die riesigen Felsen und atmete die feuchtwarme Luft ein. Er fühlte sich glänzend. Der Gedanke an Fastrada und die Vorfreude auf das Wiedersehen beschwingten ihn. Es war anders gewesen als mit seinen Eroberungen in Rom, die man in irgendwelchen Gassen küsste, um hinterher seinen Freunden davon zuerzählen, mit allen dazugeflunkerten Ausschmückungen, die die unausgegorene Fantasie der gleichaltrigen Zuhörer verlangte. Es schien ihm nicht nur unpassend, sondern geradezu abwegig, so über Fastrada zu reden, und er war Lucius dankbar, dass er nicht versucht hatte ihn in diese Richtung zu drängen. Wieder einmal hatte sein Freund bewiesen, dass er ein Gespür für Zwischentöne hatte. Mein Lieber, du bist
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