Silber
in London gekauft wurde und aus einer Massenlieferung vom letzten Monat stammt. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass es sich dabei um das Gespräch mit Ihrem Scharfschützen gehandelt hat. Der dritte Anruf war der kürzeste, er ging an einen Festnetzanschluss in der Schweiz. Die Nummer ist auf einen weiteren Zweig des Unternehmensnetzes von Devere angemeldet; diesmal war es allerdings einer von Daddy.“
„Nun spuck es schon aus.“
„Sie verderben mir schon wieder den ganzen Spaß. Der dritte Anruf ging an das Büro von Humanity Capital in Genf. Sind Sie nun zufrieden?“
Das war er eigentlich nicht, aber er sagte nichts zu Lethe. Er musste nachdenken. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Devere bei seinem Vati anrufen würde; das brachte seine Gedankenkonstruktionen zum Einsturz. London passte gut ins Bild, weil dort die Operationsbasis des multinationalen Konzerns lag; jede Information wanderte zur Nabe und fand von dort ihren Weg da hin, wo sie gebraucht wurde. Den Schützen anzurufen, um ihn zu warnen, war ebenfalls sinnvoll. Das war der Anruf, den er mit seinem ungebührlichen Stegreifauftritt hatte provozieren wollen. Das war der Anruf, der ihm bestätigte, dass er Miles Devere richtig eingeschätzt hatte. Er wollte die Kontrolle über die Situation haben, und er hatte dem Drang nicht widerstehen können, Rücksprache mit seinem Mann zu halten.
Nein, Konstantin war überrascht, weil er erwartet hatte, dass Devere beim nächsten Glied in der Kette anrufen würde, also bei Mabus. Er hatte mit einer israelischen Telefonnummer gerechnet, mit größter Wahrscheinlichkeit einer aus Tel Aviv. Es lag zwar im Bereich des Möglichen, dass Mabus sich gerade in London oder Genf aufhielt, aber das erschien ihm nicht sehr wahrscheinlich. Und wenn man bedachte, was für ein großes Geheimnis der Meisterterrorist aus seiner Identität machte, konnte er sich nur schwer vorstellen, dass Devere diesen Anruf einem seiner Handlanger überließ – vor allem, wenn man sein Geisteswesen bedachte.
„Könntest du den zweiten Anruf nachverfolgen?“, fragte Konstantin, immer noch in Gedanken versunken.
Lethe sog in gespielter Gekränktheit die Luft ein. „Dieses eine Mal werde ich Ihnen verzeihen, Koni, aber nur, weil ich Ihnen vorhin meine Liebe gestanden habe. So gut bin ich zu Ihnen, denken Sie bitte immer daran. Ob ich den Anruf verfolgen
könnte
? Puh. Scheißt der Papst in den Wald?“
Konstantin sagte nichts.
„Die Antwort auf diese Frage lautet ‚Selbstverständlich‘, weil es Papa Bär ist, verstehen Sie? Goldlöckchen und die drei Bären? Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Genialität an Sie völlig verschwendet ist, Koni. Ja, ich habe das Signal des Handys trianguliert, es befindet sich in einem Gebäude an einer der Zugangsstraßen zum Florinsmarkt, in der Mehlgasse Nummer 13.“
„Die 13 bringt manch einem Unglück“, sagte Konstantin, und beendete das Gespräch. Er steckte das Telefon wieder in die Tasche.
Er brauchte sieben Minuten, um die Strecke vom Jesuitenplatz bis zur Mehlgasse zurückzulegen. Die Straße gehörte nicht zu denen, die für den päpstlichen Besuch gesperrt worden waren, das machte sie ideal als Fluchtweg. Konstantin ging auf dem Bürgersteig entlang. Die Häuser hier ragten höher auf, sie waren fünf oder sechs Stockwerke hoch. Er ließ den Blick aufmerksam über die Reihen der Fenster gleiten, während er an ihnen vorbeiging.
Er sah noch einmal auf seine Uhr. In weniger als dreißig Minuten würde die Segnungszeremonie beginnen. Ihm gefiel überhaupt nicht, wie die Zeit plötzlich immer schneller zu laufen schien.
Das Haus Nummer 13 hatte keine besonderen Auffälligkeiten, nichts deutete darauf hin, dass sich darin ein Assassine aufhielt. Es war eine völlig durchschnittliche Fassade, mit mehreren Reihen nackter Fenster. Es gab keine Balkone. Er sah sich die oberste Fensterreihe genauer an, bis eine flüchtige Bewegung weiter unten seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Vorhang hatte sich bewegt, in dem Fenster, das am weitesten vom Platz entfernt war. Das Fenster war fünfzehn Zentimeter weit geöffnet. Genug Platz, um einen Schuss abzufeuern.
Konstantin drehte sich um und folgte mit seinem Blick, so gut es von unten ging, der Flugparabel von dem Fenster aus. Der Winkel für den Schuss war sehr schmal. Der Schütze konnte nur einen kleinen Teil des Platzes direkt einsehen, aber er hatte Aussicht auf ein Stück der Bühne, die man dort errichtet hatte. Die Stufen
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