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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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zur Bühne befanden sich auf deren linker Seite, deshalb hatte der Schütze ungehinderte Sicht auf den Papst, wenn er sie hinaufstieg und die ersten vier oder fünf Schritte über den roten Teppich machte, auf dem Weg zu seinem päpstlichen Stuhl.
    Er stellte sich die Szene bildlich vor: Der weiße Mercedes-Benz hielt vor dem Thronhimmel an, die Leibgarde des Papstes stieg aus und eskortierte ihn auf die Bühne. In dem kurzen Zeitraum, in dem er sich vom Wagen zum Stuhl bewegte, würde der alte Mann wie auf dem Präsentierteller sein. Das Ende der Straße, die neben der Bühne in den Platz mündete, war abgeriegelt worden. Er sah zwei Beamte des BKA an der Absperrung. Einige Papstverehrer standen neben ihnen. Bis der Heilige Vater hier eintraf, würden die Leute in zwanzig oder dreißig Reihen hinter den Absperrungen stehen.
    Konstantin richtete seinen Blick wieder nach oben auf das Fenster.
    Da war sie wieder, eine kleine Bewegung des Vorhangs, als ob jemand dahinter immer wieder zwanghaft einen Blick auf die Bühne werfen würde. Das kam ihm zwar reichlich dilettantisch vor, andererseits passte es durchaus zu dem Debakel in Berlin, als sie versucht hatten, ihn zu beschatten.
    Er zählte die Fenster, es war das vierte von rechts im fünften Stock. Er schirmte die Augen mit der Hand ab, um besser erkennen zu können, was sich hinter dem Vorhang abspielte, aber aus seinem Blickwinkel konnte er nicht viel mehr sehen als ein Stück der Decke.
    Er blickte wieder auf die Uhr. Noch fünfundzwanzig Minuten, bis die Prozession den Platz erreichen würde. Er dachte darüber nach, bei Lethe anzurufen und das BKA zu verständigen, um nach den Regeln zu spielen – aber das hätte nicht nur einen Lügner aus ihm gemacht, es hätte ihn auch in Gefahr bringen können. Es ging nicht nur darum, dass er Devere gesagt hatte, dass er seinen Attentäter aufhalten und ihn anschließend töten würde – was seinem übermäßig stark ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit entsprach –, seine Nachforschungen hatten ihn in das Berlin vor dem Saringasangriff geführt, und jetzt war Devere hier in Koblenz. Das konnte kein Zufall sein, und er konnte nicht einfach die Staatsdiener rufen, damit sie ihm beisprangen. Außerdem würden sie ihn sofort zu einem Hauptverdächtigen in der Sache erklären. Sie würden alle Straßen und Schienen sperren, jede Pension und jedes Hotel stürmen und den ganzen Ort auf den Kopf stellen. Er war allein, was hieß, dass er das beste aus der ungünstigen Situation machen musste. Von seiner Warte aus gab es nur diese beiden Möglichkeiten, was allerdings nicht bedeutete, dass er mit der Situation glücklich war.
    Er rüttelte an der Klinke der Eingangstür. In die Wand daneben war eine Gegensprechanlage eingelassen. Er ging davon aus, dass die Klingelknöpfe darauf so angeordnet waren wie die Wohnungen im Haus, und er drückte einen nach dem anderen, wobei er die fünfte Reihe ausließ. Dreißig Sekunden später betätigte jemand den Türöffner; es klappte jedes Mal wieder. Er versuchte sich einzureden, dass das einer der positiven Aspekte des Lebens im Westen war. Aber eigentlich hieß es für ihn bloß, dass ihm in jedem erdenklichen Haus irgendein Idiot die Tür aufmachen würde, falls er jemals auf die Idee kam, Amok laufen zu wollen. Und dabei spielte es nicht einmal eine Rolle, wie gut das entsprechende Haus gesichert war.
    Er benutzte wieder die Treppe, doch diesmal öffnete er vorsichtshalber die Tür des Käfigfahrstuhls, damit der Kontakt in der Tür unterbrochen war und der Fahrstuhl nicht gerufen werden konnte.
    Er machte sich langsam und bedacht auf den Weg nach oben.
    Er zog seine Waffe erst auf dem Absatz des dritten Stockwerks.
    Er ging weiter in die vierte Etage, die Glock 19 in der Hand. Bevor er den fünften Stock erreichte, blieb er stehen und lehnte sich an das Gitter des Fahrstuhlschachts. Außer seinen eigenen, regelmäßigen Atemzügen war im Treppenhaus kein Laut zu hören. Er bewegte sich zum Treppenabsatz hinauf, dabei hielt er seinen Schwerpunkt tief und nahm mit kräftigen Schritten immer drei Stufen auf einmal. Das Treppenhaus mündete in der Mitte des Flurs, rechts und links von ihm waren jeweils zwei Türen. Die beiden äußeren Türen gehörten zu den Wohnungen auf der Rückseite des Hauses, die beiden mittleren zu denen mit Blick auf die Straße. Die altmodischen Türen bestanden aus schwerem Holz, aber die Schlösser daran waren nichts Besonderes. Er hätte sie in weniger als

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