Silber
Köder“, sagte er, und während er das sagte, wurde ihm klar, wie hoch der Einsatz war, um den es sich nun handelte. Er setzte viel mehr als nur das Leben eines Mannes aufs Spiel.
23
DAS TIER MIT DEN DREIZEHN HÖRNERN
Er trug den Dolch in einer zeremoniellen Scheide unter seiner linken Achsel.
Die Menschen jubelten und schwenkten ihre Fahnen, sie drückten sich gegen die Absperrung und hofften, so einen Blick auf den Papst erhaschen zu können. Die Geräusche der Masse jagten ihm Schauer über den Rücken. Alles war schon so lange geplant, und es hatte schon so lange keine Ehrlichkeit mehr auf der Welt gegeben. Aber sie kam. Sie war schon sehr nahe. Und wenn sie zurückkehrte, würden die Menschen wahrlich etwas zu sehen bekommen.
Seine Finger wanderten unwillkürlich zu dem Dolch. Er spürte das Gewicht der Klinge, dicht neben seinem Herzen. Doch es war kein unheilvolles Gewicht. Es hatte nichts Bedrückendes. Wie seine Pflicht am heutigen Tag war es ein bedeutungsschweres Gewicht.
Sie hatten den Silberdolch in den Gruften der Selbstmörder gefunden, die beim Erdbeben von Masada freigelegt worden waren. Er war ihnen gegeben worden, als die Welt sich gerade auf das neue Jahrtausend einstellte. Keine Wahrheit konnte ewig vergraben bleiben. Die großen Wahrheiten fanden immer einen Weg ans Licht.
Die Gruft hatte die vertrockneten und skelettierten Überreste eines Mannes enthalten, und ein altes Schriftstück. Sie hatten damals nicht herausfinden können, was auf der Papyrusrolle geschrieben stand oder um wessen Worte es sich dabei handelte, denn als sie sie ausgegraben hatten, war sie bereits in einem so schlechten Zustand gewesen, dass die einzelnen Schichten miteinander zu einer festen Masse verschmolzen waren.
Doch sie hatten schon damals einen Verdacht gehabt.
Wie hätte es auch anders sein können?
Die ganze Welt wusste, was geschehen war, als die Römer ihre Belagerungsrampe an der Seite des Berghanges von Masada errichtet hatten. Sie wollten die letzte Festung der Sikarier stürmen, der Freiheitskämpfer, die der Blutlinie des wahren Messias die Treue geschworen hatten: Judas Iskariot.
Und an dem Tag, als sie sich gemeinsam das Leben genommen und diese Blutlinie beendet hatten, war die Bergfestung die Heimat von Menachem ben Ja’ir und seinem Bruder Eleasar gewesen, den Enkeln von Judas Iskariot. Wenn einer von diesen beiden ein Zeugnis geschrieben hätte, wäre das Wissen darin von unvorstellbarem Wert. Welche Wahrheiten mochten wohl in solch einem Dokument schlummern?
Die Schriftrolle war zu stark beschädigt gewesen, um sie mit ihren Mitteln wiederherstellen zu können, doch Mabus hatte es trotzdem versuchen wollen. Immerhin verfügten sie über gewisse Möglichkeiten, um vertrauenswürdige Leute zu finden. Der andere Mann jedoch – der den Namen Akim Caspi angenommen hatte, nachdem sie den Dolch gefunden hatten – hatte dem nicht zugestimmt, weil er nicht riskieren wollte, dass die Wahrheit, die so lange verschollen war, dabei zerstört wurde.
Caspi hatte ihm die Wahrheit nahegebracht und den Silberdolch seiner Obhut übergeben. Er hatte die Wahrheit willkommen geheißen und den Jüngern von Judas die Treue geschworen. Doch sie hatten das Geheimnis der Klinge erst lüften können, als das Zeugnis übersetzt worden war.
Sie hatten die Schriftrolle den Fachleuten des Vatikans überlassen, in dem sicheren Wissen, dass die Kirche der Lügen die darin verborgene Wahrheit niemals enthüllen würde. Das hieß zwar, dass sie sie zurückstehlen mussten, allerdings erhielten sie sie dafür komplett wiederhergestellt und mit einer Übersetzung des Inhaltes wieder. Dieses Vorhaben hatte viel Überlegung und eine akribische Planung erfordert – wie ihre anderen Operationen auch –, aber weil ihre Triebkraft die Wahrheit war, hatte Gott sie bei ihrer Mission unterstützt. Der Träger des Dolches hatte selbstverständlich nie an dieser Tatsache gezweifelt. Wie hätte Gott auch nicht daran gelegen sein können, dass die Welt endlich die Wahrheit erfuhr? Immerhin handelte es sich dabei um Seine Wahrheit. Also hatten sie einen ihrer Männer eingeschleust, einen Priester, der in der Vatikanischen Bibliothek arbeitete. Er hatte die Restaurationsarbeiten beaufsichtigt, und dann, als man den Text schließlich entschlüsseln konnte, hatte er Caspi Bescheid gegeben, damit er seinen eigenen Experten schicken konnte. Dieser hatte die Übersetzungsarbeiten überwacht und das Zeugnis aus dem Vatikan geschmuggelt,
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