Silber
Umschlag unter der Pistole. Die Akten beinhalten weitere Informationen, aber zuerst sollten Sie sich die Bilder ansehen.“
Uzzi Sokol griff mit der freien Hand in den Koffer, mit der anderen hielt er die Jericho weiterhin genau auf ihr Herz gerichtet. Er zog den Umschlag unter der SIG Sauer hervor und trat zurück, um die geringfügige Sicherheit der Distanz zu ihr wieder herzustellen. Orla war sich ziemlich sicher, dass sie den Mann in diesem Moment hätte überwältigen können, wenn es ihre Absicht gewesen wäre. Während er damit beschäftigt war, die Bilder aus dem Umschlag zu nehmen, hätte sie ihm den Aktenkoffer ins Gesicht werfen und ihm die Beine unter dem Körper wegtreten können. Sie hätte nur zwei Sekunden Zeit gehabt, um ihn zu entwaffnen, aber mehr als eine hätte sie dafür nicht gebraucht. Orla wollte sich jedoch nicht in Handgreiflichkeiten verstricken. Akim Caspis Tod warf nur noch weitere Fragen auf, und der Sinn ihres Besuchs in Tel Aviv bestand darin, Antworten zu finden, und nicht, sich in eine halsbrecherische Jagd nach der Wahrheit zu stürzen.
Sie wartete, bis Sokol die Bilder aus dem Umschlag gefischt hatte.
Der Israeli betrachtete die Abzüge, dann schnaubte er. „Was soll das beweisen?“
„Das Foto stammt von einer archäologischen Ausgrabung in der Sikarier-Festung Masada. Es wurde 2004 aufgenommen. Vielleicht kommen Ihnen einige der Namen auf der Rückseite bekannt vor, vielleicht sogar ein paar der Gesichter. Sie sind in den letzten Tagen des Öfteren in den Nachrichten aufgetaucht.“
Sokol besah sich die Rückseite des Fotos. Er schüttelte den Kopf, zögerte einen Moment und drehte das Bild wieder um, um noch einmal die Gesichter der jungen Archäologen zu betrachten. Er hatte offensichtlich Schwierigkeiten damit, den Namen Akim Caspi mit dem Gesicht des Generalleutnants zu verbinden, unter dem er gedient hatte.
„Das ist nicht Caspi“, sagte er schließlich, als er von dem Foto aufblickte. „Aber das wissen Sie bereits, nicht wahr?“
Orla nickte. „Ja, obwohl meine Leute erst vor Kurzem davon erfahren haben.“
Sokol machte ein merkwürdiges, schnalzendes Geräusch; seine Zunge schnappte gegen seinen Gaumen, während er sich seinen nächsten Satz überlegte. „Das ist der Mann, den Sie sprechen wollten?“
Orla nickte wieder.
„Weshalb?“
„Die meisten anderen Menschen auf diesem Bild sind tot“, begann sie. „Wir sind an den Umständen ihres Todes interessiert.“
„Und Sie glauben, dass dieser falsche Caspi Ihnen dabei helfen kann?“
„Ja. Allerdings haben wir bis vor fünf Stunden noch geglaubt, dass er der echte Caspi ist.“
„Woher soll ich wissen, dass das keine List Ihrer Regierung ist?“
Orla atmete tief ein und ließ die Luft langsam wieder aus ihren Lungen entweichen. „Um genau 15:00 Uhr Zulu-Zeit haben gestern dreizehn Menschen in dreizehn verschiedenen europäischen Städten Selbstmord begangen.“
„Ich sehe auch CNN“, sagte Sokol. „Die ganze Welt weiß, was gestern in Europa und heute Morgen in Berlin passiert ist. Sie erzählen mir nichts Neues. Warum sollte irgendetwas davon mit Israel zu tun haben?“
Sie zeigte auf das Foto.
„Wollen Sie damit sagen, dass das die Menschen sind, die sich selbst lebendig verbrannt haben?“ Das Foto in seiner Hand zitterte fast unmerklich.
Wieder nickte Orla, diesmal langsam. „Die Ausgrabung von Masada ist, soweit wir es beurteilen können, die einzige Verbindung zwischen diesen Personen. Ich hatte gehofft, dass ein Gespräch mit Generalleutnant Caspi etwas Licht in die Geschichte von gestern bringen könnte, aber…“ Sie ließ den Blick über das gepflegte Grab schweifen und den Satz unvollendet.
„Aber Sie haben erzählt, dass dieses Bild vor über fünf Jahren gemacht wurde. Wie kommen Sie darauf, dass der Generalleutnant etwas über die gestrigen Ereignisse wissen könnte?“ Uzzi Sokol unterbrach seine Gedanken und sah Orla Nyrén an – und diesmal sah er ihr fest in die Augen. Sie fühlte sich unbehaglich unter seinem prüfenden Blick. Schmutzig. „Es sei denn, und jetzt lese ich zwischen Ihren eher unsubtilen Zeilen, Sie sind der Meinung, dass der Staat Israel hinter den jüngsten Terrorangriffen auf ihr Land steht? Wollen Sie das damit andeuten?“
„Ich will damit gar nichts andeuten, Uzzi“, erwiderte sie, wobei sie ihn zum ersten Mal bei seinem Vornamen ansprach. „Ich
weiß
nicht, was dahintersteckt. Ich suche nach Verbindungen und gehe jedem Hinweis nach,
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