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Silber

Titel: Silber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Savile
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den Vierströmebrunnen von Bernini auf der Piazza Navona, den Bücherbrunnen, den Brunnen des Pförtners auf der Piazza Venezia, den Triton-Brunnen und natürlich die unzähligen kleinen Trinkbrunnen der Stadt. Jede Straße war mit Wasser versorgt, und an jedem Hahn füllten die Römer und die Touristen ihre Wasserflaschen, um ihren Durst stillen zu können, wenn die Sonne heiß vom Himmel brannte. Der Frühling in Rom wurde beherrscht vom Plätschern des Wassers und dem Lachen der Menschen, die mit dem Rücken zum Trevi-Brunnen standen, Münzen über die Schulter warfen und auf die neue Liebe hofften, die Maggie McNamara ihnen in
Drei Münzen im Brunnen
versprochen hatte. Er fragte sich, wie viele von ihnen wussten, dass die Schauspielerin sich mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen hatte. Das nahm der Geschichte doch einiges von ihrem Leinwand-Glamour.
    Er sah der Frau nach, die sich wieder vom Brunnen entfernte. Sie strich sich das Haar aus der Stirn und lächelte, als sie seinen Blick bemerkte. Ihre Wangen waren von der Frühlingssonne leicht gerötet. Das römische Wetter hatte sich nicht zu seinem Vorteil entwickelt: Noch vor ein paar Jahren hatte es vier klar definierte Jahreszeiten gegeben, jetzt gab es nur noch zwei davon, mit wenigen Übergangswochen zwischen eisigem Frost und schwüler Hitze. Die Frau hatte ein wundervolles Lächeln, das sowohl seinen Geist wie auch seinen Körper anrührte. Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und lächelte wissend zurück.
    Es war bedauerlich, dass sie bereits tot war, allerdings verspürte er kein echtes Bedauern. Er überlegte, ob er sie ansprechen und verführen sollte. Er wusste, dass er es gekonnt hätte. Dann hätte er bei ihr sein können, wenn sie starb. Er hätte ihren letzten, wunderschönen Seufzer hören können, wenn das Leben ihren prächtigen Körper verließ. Er hätte diesen intimsten aller Momente mit ihr teilen können: ihren letzten Atemzug. Er hätte die Angst in ihren Augen sehen können, wenn sie zu ihm aufblickte, die Panik und dann das Erkennen der Unausweichlichkeit, wenn sie sich schließlich ihrem Schicksal ergab. Er hätte auf sie herablächeln können, vielleicht ihre Wange berühren, ihr die Tränen der Angst wegküssen, in dem Wissen, dass er ihr sowohl
la petite mort
wie auch
la grande mort
an nur einem süßen Tag gebracht hatte. Er konnte gut mit Worten umgehen und wusste, was die Frauen hören wollten; er wusste, wie man mit den Fingern zärtlich Körperstellen liebkoste, die von den meisten Männern aus Faulheit vernachlässigt wurden; und er wusste, wie er mit ein wenig sanftem Druck die Lippen einer Frau an seine führen konnte. Er wusste, wie man Frauen verführte, wie man mit Eitelkeiten und Unsicherheiten umging, und, noch wichtiger, er hatte das entsprechende Äußere. Wie die Frau am Brunnen war auch er mit klassischen Proportionen gesegnet. Allerdings hatte sich das Schönheitsideal für Männer in den letzten Jahrhunderten kaum verändert, und deshalb war er heute genau so schön, wie er es zur Zeit der Renaissance gewesen wäre. Das war eine weitere der vielen kleinen Grausamkeiten, die diese von Männern geschaffene Welt parat hielt.
    Sie war mit zwei Freundinnen unterwegs, die beide dünner, und damit auf der neuen Schönheitsskala auch hübscher waren als sie. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie seine Aufmerksamkeit schon allein deshalb genoss, weil sie für gewöhnlich neben ihren Freundinnen übersehen wurde. Er warf ihr über das Kopfsteinpflaster der Piazza eine Kusshand zu.
    Als er seine Aufmerksamkeit wieder dem Trinkbrunnen widmete, sah er einen Vater, der seiner kleinen Tochter gerade zeigte, wie man mit der Zunge den Wasserstrahl fing.
    Im Verlauf von nur einer Stunde hatten mehr als zweihundert Menschen aus diesem einen Brunnen getrunken – Männer und Frauen jeden Alters und von unterschiedlicher Schönheit, Studenten, Touristen, Einheimische, und Kinder. Er genoss es, sie zu beobachten und zu zählen, sobald sie sich über die sprudelnde Quelle bückten.
    Dann gab er seinen Sitzplatz auf und ging ein Stück spazieren. Egal, wohin er ging – statt den barocken Prachtbauten von Bernini, Lombardi, Peruzzi und Michelangelo galt seine Aufmerksamkeit nur den Menschen, die sich über die Brunnen beugten, und er schickte ein stilles Dankgebet an egal welche Gottheit des alten Pantheons, die an diesem Tag aller Tage die Sonne scheinen ließ.
    Dominico Neri starrte auf die Uhr. Er war den ganzen

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