Silber
fragte Orla.
„Zu Generalleutnant Caspi, gemäß meinen Befehlen. Sie wollten doch Akim Caspi sehen, oder etwa nicht?“
„Wir treffen ihn auf dem Friedhof?“
„Dieser Ort ist so gut wie jeder andere in der Stadt“, sagte er ohne die geringste Spur von Humor. „Oder haben Sie vielleicht Angst, dass die ruhelosen Seelen der Verstorbenen Ihr Gespräch belauschen könnten?“
Nichts von all dem fühlte sich richtig an.
Orla schüttelte den Kopf.
Kurz darauf hielt der Fahrer den Wagen neben dem Besucherzentrum an. „Wenn Sie so freundlich wären?“, sagte Sokol und deutete auf die Tür. Orla öffnete sie und stieg aus der Limousine. Hoch über dem Hügel schien die Sonne zwar immer noch hell, doch durch den Wind war es hier merklich kühler. Vielleicht fröstelte sie aber auch nur, weil sie sich auf einem Friedhof befanden, überlegte Orla. Sokol bedeutete ihr, ihm zu folgen, dann führte er sie durch die langen Reihen der Grabsteine.
Schließlich blieb er vor einem der kleineren Gräber stehen. Das Gras darauf war sorgfältig geschnitten, und ein paar frische Sonnenblumen standen in einer gläsernen Vase neben dem Grabstein. Das Grab wurde offensichtlich regelmäßig gepflegt. Sie las den Namen und die Daten, die in den Stein gemeißelt waren:
Akim Caspi, geliebter Vater, geschätzter Ehemann, treuer Diener
. Am Fuß des Steines war eine Gravur, die einen liegenden Alligator darstellte. Laut der Inschrift war Caspi im Juni 2004 mit sechsundfünfzig Jahren verstorben. Wenn Lethes Vermutungen stimmten, hatte er sich also schon einen Monat lang die Radieschen von unten angesehen, bevor auf seinen Namen zwei hohe Versicherungsprämien ausgezahlt worden waren.
„Ich kenne einige Leute, die gerne wüssten, warum Sie unbedingt mit einem Toten sprechen möchten. Vielleicht wollen Sie es mir erklären“, sagte Uzzi Sokol.
Sie blickte von dem Grab auf und sah, dass der Israeli seine Jericho 941-Pistole gezogen hatte und damit auf sie zielte. Der Hahn war gespannt und Sokols Finger nur eine Haaresbreite vom Auslösen des Abzugs entfernt. Diese Entwicklung überraschte sie allerdings nicht besonders. Sie hatte schon von dem Moment an, als sie das Flugzeug verlassen hatte, geglaubt, dass Sokol etwas im Schilde führte. Lethe hatte die Vorder- und die Rückseite des Fotos, das Frost in Sebastian Fishers Wohnung gefunden hatte, auf den Computer in der Gulfstream hochgeladen. Eines der Gesichter auf dem Bild hatte er mit einem roten Kreis markiert, und auf der Rückseite hatte er den Namen Akim Caspi unterstrichen. Das zweite Bild stammte aus Caspis Akte bei den Israelischen Streitkräften. Und entweder hatte der Mann sich einer umfangreichen Gesichtsoperation unterzogen und war gleichzeitig zehn Jahre jünger geworden, oder aber es handelte sich um zwei völlig verschiedene Personen. In diesem Fall war sie sich ziemlich sicher, dass es sich um das „oder“ handelte. Sie hatte die Bilder ausgedruckt, bevor das Flugzeug gelandet war, und nach dem Stand der aktuellen Ereignisse war sie froh darüber, das getan zu haben. Orla drehte sich langsam um, bis die schwarze Mündung der Pistole genau auf die Mitte ihrer Brust gerichtet war.
„Wissen Sie, was eine Pistole und ein Schwanz gemeinsam haben?“, sagte Orla, die mit dem Kopf kurz in Richtung der Waffe nickte. „Nur weil man einen hat, muss man ihn nicht jedem Mädchen ins Gesicht halten.“
„Wie reizend. Bestimmt verzeihen Sie mir, dass ich nicht lache. Beantworten Sie jetzt meine Frage.“
„Es ist besser, wenn ich es Ihnen zeige“, sagte sie. „Falls Sie darauf verzichten können, den Abzug ihrer Schwanzverlängerung zu drücken, sobald ich mich bewege?“
„Dieses Risiko werden Sie wohl eingehen müssen.“
Sie deutete seinen merkwürdigen Tonfall als eine Einladung, es darauf ankommen zu lassen. Langsam kniete sie sich neben ihren Aktenkoffer und brach die diplomatischen Siegel. Sokol war sich bestimmt im Klaren darüber, dass der einzige Zweck der Siegel darin bestand, dass sie ihre SIG Sauer P228 Compact ins Land hatte bringen können. „Ich habe eine Waffe da drin“, sagte sie, als sie die Schlösser aufschnappen ließ und den Deckel des Koffers anhob. „Ich werde nicht danach greifen. Aber die Papiere, die ich brauche, liegen darunter.“
„Öffnen Sie den Koffer“, sagte Sokol.
Orla nickte und stand wieder auf. Sie klappte den Deckel so auf, dass die Öffnung des Koffers dem Israeli zugewandt war. „Die Fotos sind in dem braunen
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