Silberband 001 - Die Dritte Macht
Verwahrung zu nehmen, ehe
die Flasche leer war. »Vielleicht erhalte ich einige Anregungen.«
»Das glaube ich kaum«, gab Ellert zurück. »Gut, ich werde euch eine Geschichte erzählen –
eine sehr interessante Geschichte, von der ich schon jetzt behaupte, daß sie mir niemand
glaubt.«
Er wartete, bis seine Gäste sich bequemer gesetzt und ihre Zigaretten angezündet hatten, dann
fragte er:
»Was haltet ihr von der Zeitreise?«
Die anderen sahen ihn ohne Begeisterung an, und Aarn Munro sagte verdrossen:
»Dein Hobby, nicht wahr? Du hast sogar darüber geschrieben, was alle vernünftigen Menschen dir
sehr übelnahmen. Wenn du mich fragen solltest, ich halte sie für ein Hirngespinst.«
Die anderen nickten zustimmend. Ellert seufzte.
»Ich habe es nicht anders erwartet. Doch hört trotzdem meine Geschichte. Ihr wißt, daß ich
mich mit diesem Problem befasse und es für durchaus möglich halte, eine Zeitreise im geistigen
Sinne zu vollführen. Schon ein Traum kann eine solche mentale Zeitreise sein, wenn er uns in die
Vergangenheit oder fernste Zukunft versetzt. Allein die Erinnerung an vergangene Erlebnisse
bedeutet eine solche Zeitreise, wenn auch nur in weitestem Sinn.«
»Moment!« warf Frettel ein. »Das ist doch Unsinn! Was hat denn das mit Zeitreise zu tun? Ich
verstehe darunter das Versetzen des Körpers eines Menschen in die Zukunft oder die Vergangenheit.
Ich muß mich also selbst in einer anderen Zeit befinden, um von einer solchen Reise sprechen zu
können.«
»Sehr richtig«, stimmte Ellert zu. »Der Meinung bin ich auch. Kurz und gut: Ich liege abends
oft stundenlang im Bett und grübele darüber nach, ob es mir nicht möglich sein könnte, einen
Blick in die Zukunft zu werfen. Selbst dann wäre ich versessen darauf, wenn ich es nur mit dem
Geist tun könnte. Nennt es einen inneren Drang, dem ich nachgeben muß, ob ich will oder nicht.
Ich zerbreche mir den Kopf über die Zusammenhänge zwischen Traum, Phantasie, Teleportation und
temporaler Teleportation. Wenn es möglich sein soll, daß der Körper dem Geist an einen anderen
Ort folgen kann, so müßte es auch möglich sein, daß er ihm in eine andere Zeit folgt.«
»Junge, Junge«, machte Jonny und ließ die Hände nicht von der Flasche auf dem Tisch. »Du hast
vielleicht eine Art, unmögliche Dinge von dir zu geben.«
»Kunststück«, knurrte Frettel. »Dafür wird er bezahlt.«
Ellert wartete, bis die Proteste verstummten. Er sah sehr selbstsicher aus, und wer ihn
kannte, der wußte, daß noch einige Überraschungen bevorstanden.
»Allmählich wird es spannend«, bemerkte Lothar zynisch.
»Weiter!« verlangte Aarn, der plötzlich Interesse zeigte.
Ellert nickte.
»Mich interessiert die Zukunft, also galten auch ihr stets meine ganzen Gedanken. Niemand
weiß, was morgen ist, und erst recht weiß niemand, ob wir morgen noch existieren. Im vergangenen
Jahr sind wir zwei- oder dreimal am Weltuntergang vorbeigerutscht. Ein Atomkrieg – und wir
sind erledigt. Das ist doch jedem klar. Hätte dieser Rhodan nicht eingegriffen, säßen wir heute
nicht hier zusammen. Trotzdem wird er als unser Feind bezeichnet. Allein das scheint mir
unlogisch. Also kurz und gut, meine Gedanken konzentrierten sich gestern abend, als ich in meinem
Bett lag, derartig auf die Zukunft, daß ich plötzlich in ihr weilte. Ich wollte unbedingt wissen,
was in einem Jahr sein würde. Und – dann wußte ich es!«
»Wie bitte?« rief Jonny und ließ die Flasche los, was von Aarn rücksichtslos ausgenutzt wurde.
»Du wußtest es? Das mußt du uns aber näher erklären.«
»Ich bin schon dabei. Während meine Gedanken sich regelrecht in dem Problem verbissen, spürte
ich plötzlich, wie eine Veränderung mit mir vorging. Mir blieb keine Zeit, sie zu definieren,
denn alles geschah zu schnell. Es wurde dunkel in meinem Zimmer. Sekunden – es können auch
Ewigkeiten gewesen sein – schwebte ich in totaler Finsternis, dann wurde es wieder hell um
mich. Die Sonne schien ins Zimmer. Ich saß auf dem Bett.«
»Du warst sicher besoffen«, vermutete Jonny.
Ellert schüttelte den Kopf.
»Warte nur ab, mein Freund. Ich bin noch nicht fertig mit meiner Geschichte. Es war also Tag,
und die Sonne schien. Ich stand auf und sah mich verwundert um. Zuerst nahm ich an, mein
angestrengtes Nachdenken habe mich tatsächlich einschlafen lassen, und nun sei es eben Morgen.
Dann aber fiel mir auf, daß zwei der Bilder fehlten. Deine übrigens,
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