Silberband 008 - Festung Atlantis
ihm war, als höre sein Herz auf zu schlagen. Für lange
Sekunden sträubte sich sein Verstand, das zu akzeptieren, was seine Augen schauten.
Die Tatsache nämlich, daß sie alle für ewige Zeiten in der fremden Dimension bleiben mußten,
weil es keine Rückkehr mehr für sie gab.
Die Tatsache, daß der schimmernde Ring des Lichtfensters plötzlich erloschen war.
Rous überwand die erste Schrecksekunde, und sein Verstand begann wieder zu
arbeiten. Das Lichtfenster war verschwunden – das ließ sich nicht mehr ändern. Aber sein
Erlöschen hatte einige Veränderungen bewirkt, deren Bedeutung wichtig genug sein konnte, ihr
Schicksal zu beeinflussen.
Der Himmel hatte sich verfärbt. Es war, als sei eine Schicht weggezogen worden, die den Blick
auf das Firmament bisher versperrt hatte. Immer noch standen die Wolken vor der verborgenen
Sonne, aber jetzt wurde klar ersichtlich, daß sie rot sein mußte.
Und noch etwas sah Rous.
Die schwarze Mauer war verschwunden.
Ungehindert konnte er nun bis zum fernen Horizont blicken, aber er wurde arg enttäuscht. Denn
die Landschaft hinter der Wand sah nicht viel anders aus als vor ihr. Höhere Gebirgszüge waren zu
erkennen. Sie reckten sich hinein in den brennenden Himmel. Breite Täler mit silbernen Strömen,
die mit Blut übergossen zu sein schienen, erstreckten sich bis zu den fernen Bergen. Wälder und
Steppen brachten Abwechslung in die Naturkulisse der fremdartigen Welt.
Aber sonst – kein Lebewesen.
Iwan Ragow überwand ebenfalls die Starre. »Himmel! Was ist geschehen? Das
Lichtfenster …«
»… ist erst einmal erloschen«, vollendete Steiner unnatürlich ruhig. »Vielleicht hat auf
der anderen Seite jemand daran gedreht.«
»Wer?« fragte Rous. »Die Zeitfront ist über die Space-Jet hinweggerollt. Wenn unsere
Berechnungen stimmen, müssen inzwischen alle organischen Lebewesen, die Tats-Tor bevölkerten,
verschwunden sein. Ich sehe nichts. Müßten sie nicht alle hier sein?«
Diesmal war Harras der bessere Logiker. »Zwischen unserem Lagerplatz und der Hauptstadt Akonar
gab es keine Siedlungen. Hundert Kilometer freie Steppe und Wald. Wir müssen also mindestens auch
hier hundert Kilometer laufen, ehe wir die in die andere Dimension herübergenommenen Arkoniden
und Springer finden werden.«
Rous hatte andere Probleme. »Wie werden wir zurückkommen – in unsere Ebene?«
Steiner zuckte mit den Schultern und sah Ragow an. Der Russe legte seine Hand auf den Griff
der Strahlwaffe Steiners und erklärte: »Wir sind ja nicht gerade wehrlos, falls man uns angreift.
Im übrigen meine ich, wir sollten in der Nähe bleiben und nicht weit fortgehen, damit wir es
sofort merken, wenn das Fenster entsteht. Vielleicht ist es nur eine Stromunterbrechung im
LFG.«
»Ziemlich unwahrscheinlich.« Harras schüttelte den Kopf. »Das Ding ist abgeschaltet worden.
Anders kann ich mir den Vorfall nicht erklären.«
»Es gibt tausend andere Erklärungen«, wies Rous den Techniker zurecht. »Wir werden niemals
erfahren, was geschehen ist, wenn wir den Rückweg nicht finden. Im übrigen hat Ragow recht:
Bleiben wir in der Nähe – oder wenigstens einer von uns.«
»Soll das heißen«, fragte Steiner, »daß Sie noch Lust verspüren, in der Gegend herumzulaufen?
Was erwarten Sie davon?«
»Jedenfalls ist die Mauer verschwunden, das ist der erste Vorteil. Nichts mehr hindert mich
nun daran, diese Welt mit zweiundsiebzigtausendfacher Geschwindigkeit des Normaldaseins zu
erforschen und …«
»Sie vergessen«, unterbrach ihn der Physiker trocken, »daß Sie trotzdem nicht schneller als
normal laufen können. Für hundert Meter benötigen Sie immer noch zwölf Sekunden, wenn Sie sich
anstrengen. Um einen Kilometer zu marschieren, werden zehn Minuten notwendig sein, also wandern
Sie sechs Kilometer in der Stunde. Ich gebe zu, die versteinerten Figuren dort brauchen für die
gleiche Strecke etliche Jahre, aber das bedeutet nicht, daß Sie relativ schneller sind. Außerdem
beginne ich mir allmählich Sorgen zu machen. Gibt es hier etwas zu essen?«
Rous zuckte mit den Schultern. »Allein deshalb ist eine Art Expedition notwendig. Eine Wache
muß natürlich zurückbleiben, aber wer? Jeder ist wichtig genug, um bei einer Entscheidung zugegen
zu sein. Sollen wir es dem Zufall überlassen und losen?«
»Das dürfte die beste Lösung sein«, stimmte Harras zu und griff in die Tasche, um ein
Solarstück herauszuholen. Nachdenklich wog er das
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