Silberband 009 - Das rote Universum
kreisrund und hatte einen Durchmesser von knapp zehn Metern.
Onot griff in die Tasche seines weiten Umhangs. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, war sie
geschlossen. Vorsichtig öffnete er sie und überzeugte sich davon, daß die kleine Mikar noch
lebte, ein mausähnliches, harmloses Tier. Die Mikar dienten allgemein zu Versuchszwecken.
»Es wird dir nichts geschehen«, tröstete er das zitternde Lebewesen. »In gewissem Sinn wirst
du sogar unsterblich, denn die Zeit wird millionenfach langsamer für dich vergehen. Natürlich nur
dann, wenn ich das Zeitfeld solange eingeschaltet lasse.« Er lachte, aber ein menschliches Ohr
hätte es ebensowenig gehört wie seine Worte. »Und nun – viel Spaß …«
Er holte aus und warf das zitternde Tier mitten in den Saal, genau in das unsichtbare Zeitfeld
hinein.
Die Mikar flog ein Stück – und blieb dann wie festgenagelt mitten im Flug stehen. Als
habe ein Zauberspruch sie festgebannt, rührte sie sich nicht mehr von der Stelle. Sie schien tot
zu sein, denn sie bewegte kein Glied mehr. Unbeweglich und wie in einem Eisblock festgefroren
schwebte sie keine fünf Meter von Onot entfernt im Raum.
Der Chefphysiker betrachtete sie mit Genugtuung, aber ohne jedes Erstaunen. Er hatte es nicht
anders erwartet.
Die Mikar lebte nun in einer anderen, künstlich erschaffenen Zeitebene. Ehe das Tier einmal
atmete oder zu Boden sank, würden Jahre vergehen. So wie ihm würde es jedem Lebewesen ergehen,
das in Onots Zeitfeld geriet. Ein entsprechend großer Generator konnte eine ganze Welt in seinen
Bann zwingen.
Nur eine einzige Frage hatte Onot noch nicht beantwortet: Wie konnte man an den wehrlosen
Gegner gelangen, ohne selbst von dem Zeitfeld erfaßt zu werden? Das war ein Problem, das noch der
Lösung harrte.
Er schritt seitwärts zu einer Schalttafel. Mit einigen Griffen aktivierte er den inzwischen
konstruierten Schockleiter. Natürlich war es sinnlos, selbst in das Zeitfeld hineinzugehen, denn
im selben Augenblick würde man den dortigen Gesetzen ausgeliefert sein.
Die Mikar schwebte immer noch bewegungslos an der gleichen Stelle, als der Bildschirm den
Kontakt des Schockstrahlers anzeigte. Onot ließ die Energie fast zehn Sekunden lang wirken, dann
schaltete er wieder ab. Mit fast nicht mehr zu bezähmender Erregung kehrte er an seinen alten
Platz zurück und legte die Hand auf den Hebel, mit dem sich das Zeitfeld ausschalten ließ.
Die Mikar fiel die zwei Meter auf den Boden hinab, als habe eine unsichtbare Hand sie
plötzlich losgelassen. Onot schnellte vor und ergriff das kleine Lebewesen, hob es auf und hielt
es dann dicht vor seine Augen. Er sah, wie der Schlag des kleinen Herzens die Haut bewegte. Das
Tier lebte, aber es war bewußtlos.
Er atmete auf. Es war gelungen.
Die besonders neutralisierten Schockstrahlen wurden durch das Zeitfeld nicht beeinflußt,
sondern durchquerten es mit normaler Geschwindigkeit. Das bedeutete, daß man mit ihnen jeden
gewünschten Gegenstand erreichen und beeinflussen konnte, ohne selbst die gefährliche Zone
betreten zu müssen.
Das Problem war damit gelöst.
Onot triumphierte.
Nun galt es nur, den Rat dahingehend zu beeinflussen, daß ihm sofort die entsprechenden Mittel
zur Verfügung gestellt wurden, den Feldgenerator auszubauen und derart zu vergrößern, daß sich
praktischer Nutzen daraus ziehen ließ.
Das würde ihm nicht schwerfallen.
Er war bei dieser Überlegung angelangt, als er wieder den drückenden Schmerz im Gehirn
verspürte. Vielleicht war es nur Übermüdung. Er machte sich jetzt keine Gedanken, sondern ging in
sein Privatgemach direkt neben der Laboranlage. Er fühlte sich plötzlich schwach und
erschöpft.
Vielleicht hatte er sich zuviel zugemutet. Er atmete auf, als er sein breites Bett sah. Ohne
die Tür zu schließen, sank er darauf nieder und schloß seine vier Augen.
Er schlief sofort ein.
Der Rat der Sechsundsechzig tagte in der Arena. Diesmal waren die Vertreter des
Volkes zugelassen, denn man verhandelte über die Notwendigkeit eines bevorstehenden Angriffs. Der
Gegner aus dem anderen Universum mußte vertrieben werden. Der Eingang zur fremden Zeitebene
durfte nicht länger blockiert werden.
Es geschah alles schnell und reibungslos.
Die Vorschläge der Weisen wurden von der Versammlung einhellig gebilligt und gutgeheißen. Die
anwesenden Flottenkommandanten erhielten den Befehl, ihre Robotschiffe bereitzuhalten und die
Hangaranlagen zu verlassen, sobald
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