Silberband 010 - Thora
gerade das Abschlußexamen der Terranischen Raumakademie erfolgreich
bestanden und erhielt zum erstenmal einen bedeutsamen Auftrag. Dieser führte Cardif zu dem
Planeten Rusuf, 1.062 Lichtjahre von Terra entfernt. Es war geplant, daß Julian Tifflor, damals
Kommandant des terranischen Stützpunkts auf Rusuf, sich des jungen Mannes annehmen sollte.
Tifflor war einer der wenigen Menschen, die die wahre Identität Cardifs kannten.
Rhodan erinnerte sich an jede Einzelheit …
3.
Thora blickte gedankenschwer über die Parklandschaft, die das, was früher einmal
die Wüste Gobi gewesen war, zu einem Paradies hatte werden lassen.
Soeben hatte sie erfahren, daß Thomas Cardif die Terranische Raumakademie bereits verlassen
hatte und zu seinem ersten Einsatz aufgebrochen war.
Thora war allein in ihrem Zimmer.
Sie, die stolze Arkonidin, Tochter aus einem der ältesten und berühmtesten Fürstengeschlechter
von Arkon, hatte die Hände vor das Gesicht gepreßt und weinte.
Ihre Tränen galten Thomas Cardif, dem jungen Leutnant, der zu Oberst Julian Tifflor auf dem
Planeten Rusuf unterwegs war.
»Perry«, flüsterte sie, und wilder Schmerz schüttelte ihren Körper. »Perry, wir haben uns an
unserem Kind versündigt. Wir beide haben alles falsch gemacht.«
Sie wußte es, Perry Rhodan wußte es. Aber damals, als ihnen klar wurde, worauf sie
verzichteten und was sie ihrem Kind vorenthielten, da war es zu spät, den einmal eingeschlagenen
Weg zu verlassen.
Sie hatten nur das Beste gewollt. Perry, Thomas' Vater, und sie, seine Mutter. Thomas sollte
aus sich selbst heraus zum Mann werden und sich nicht auf seinen großen Vater verlassen. Er
sollte, bis er Mann war, sich seinen Weg selbst erarbeiten.
So war es damals gewesen, als sie auf den größten Schatz ihrer Liebe – auf ihren
Sohn – verzichteten, und dann war die Besinnung gekommen, daß ihr Kind ohne Nestwärme einsam
in einer kalten Welt aufwuchs.
Zu spät.
Und heute wieder: zu spät. Thomas war nicht mehr in Terrania. Sie konnte ihren Sohn nicht
einmal mehr aus der Ferne betrachten.
Still weinte sie vor sich hin. Niemand störte sie. Kein Mensch trat zu ihr herein. Die First
Lady des Solaren Imperiums war zu einer einsamen Frau geworden.
Perry befand sich auf Morag II, jener Welt, auf der sechs seiner Leute auf der zweiten
Zeitebene verschollen waren. Sie konnte ihn nicht anrufen, um Trost bei ihm zu finden.
Aber sie konnte die Erde verlassen.
Sie konnte eine Space-Jet anfordern und damit zur Venus fliegen. Jeder würde ihr ansehen, daß
sie erholungsbedürftig war.
Und heimlich von der Venus zu starten war leichter, als dies von der Erde aus zu
versuchen.
Rusuf, der vierte Planet der Krela-Sonne, war Thomas Cardifs neuer Standort. Das war Thora nun
bekannt, und auch, daß er seine Examina bis auf drei Sparten mit Auszeichnung abgelegt hatte. Sie
hatte allen Grund, stolz auf ihn zu sein. Sie war es auch, denn es gab im Solaren Imperium nur
fünf Menschen, die von der Existenz eines Rhodan-Sohnes wußten: sie und Perry, der Arkonide
Crest, Reginald Bull und nun als fünfter Oberst Julian Tifflor, Befehlshaber der Garnison auf
Rusuf.
Thomas Cardif hatte seine Prüfungen nicht als Rhodans Sohn abgelegt, ihm war nichts geschenkt
worden, aber ihm war mehr als jedem anderen Kadetten vorenthalten worden: Liebe.
Elternliebe.
Die Hände vor das Gesicht haltend, flüsterte sie: »Perry, ich fliege zu ihm – ich muß ihn
sehen.«
Thora erinnerte sich jetzt jenes Gesprächs, das vor der Geburt ihres Sohnes zwischen ihnen,
Crest und Bully geführt worden war. Bully, der impulsive, grundehrliche Freund Perry Rhodans,
hatte der Unterhaltung erst gegen Schluß beigewohnt und kaum gehört, worum es ging, als er auch
schon dazwischendonnerte: »Ihr seid ja feine Eltern! Himmel, Sterne und Raketen …«
Weiter war er damals mit seiner Empörung nicht gekommen. Perry hatte ihm die Hand auf den Arm
gelegt und ihn scharf dabei angesehen. Ein schmerzvolles Lächeln stand um seinen Mund, und in
widerwilliger Zustimmung hatte er dem Freund auch noch zugenickt. »Feine Eltern – Bully. So
grob, so ehrlich hat es uns noch keiner gesagt. Du brauchst Thora und mich nicht wütend
anzufunkeln, Dicker. Wir sind keine Rabeneltern, und wie wir uns auf unser Kind freuen,
Bully, das weißt du so gut wie Crest. Doch nur Crest allein hat weitergedacht als wir drei.«
»Das habe ich beim Hereinkommen bereits mitbekommen, Perry. Ihr Rabeneltern
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