Silberband 012 - Der Anti
streichelte ihn.
Das war alles, was er jetzt tun konnte.
22.
Rhodans Schritte knirschten im Kies. Sie hinterließen eine tiefe Spur in dem
feuchten Sand. Ein leichter Wind bewegte die Oberfläche des großen Sees und bildete Schaumkronen
auf den flachen Wellen. Muscheln und farbenprächtige Steine bedeckten den Strand.
Schräg über Perry Rhodan, auf dem höchsten Punkt des Steilhangs, ruhte die mächtige SOLAR
SYSTEM auf ihren Landestützen. Der Schwere Kreuzer der TERRA-Klasse hatte einen Durchmesser von
zweihundert Metern.
Selbst dem Administrator, dem sich solche Anblicke immer wieder boten, erschien das Schiff in
dieser Lage wie ein vorweltliches Ungeheuer, das drohend dort oben auf der Lauer lag.
Rhodan blieb stehen und atmete tief die klare Luft ein. Die Verladeluke der SOLAR SYSTEM hatte
sich geöffnet. Langsam tauchte der Auslegerkran darin auf. Die drahtige Gestalt von Leutnant Chad
Tuncher wurde sichtbar. Tuncher gab einem Raumfahrer Anweisungen über die Bedienung der
Kontrollen.
Zum erstenmal sah Rhodan den Mann an, der einige Schritte von ihm entfernt am Ufer stand.
»Wo wünschen Sie, daß das Haus errichtet wird, Crest?« fragte er.
Es mußte ein besonderer Klang in seiner Stimme gelegen haben, denn der alte Arkonide kam zu
ihm herüber, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen.
»Es ist gegen Ihre Überzeugung, mir diesen Platz für meine letzten Tage einzurichten, nicht
wahr, Perry?«
»Es ist gegen meine Überzeugung, einen Freund allein zu lassen«, erwiderte Rhodan ruhig. Sein
hageres Gesicht zeigte keine Gemütsbewegung, aber auch ein weniger aufmerksamer Beobachter als
Crest hätte bemerkt, wie sich die Hände des schlanken Raumfahrers zu Fäusten ballten.
»Ich weiß, welche Bedeutung für Sie das Wort Freund besitzt«, sagte Crest.
Seine Stimme klang klar, fast ließ sie den alternden Körper vergessen. Doch auch sie mochte
nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Leben des arkonidischen Wissenschaftlers zu Ende ging.
Crest hatte ebensowenig wie Rhodans verstorbene Frau Thora die Zelldusche auf Wanderer erhalten
können. Die Kunst der Ärzte und die Errungenschaften der arkonidischen Medizin konnten zwar ein
Leben verlängern, aber Wunder waren auf dieser rein biologischen Basis nicht zu erwarten. Crest,
der Philosoph genug war, um alle Dinge richtig abzuschätzen, fühlte seinen Tod nahen. Er war zu
Rhodan gekommen und hatte darum gebeten, daß man ihn auf diesem Planeten absetzen sollte. Er
hatte sich von seiner eigentlichen Heimat, Arkon, seelisch zu sehr entfernt, um noch den Wunsch
nach einer Rückkehr in sich zu spüren. Auch auf der Erde wollte er nicht sterben. In grimmiger
Ironie hatte er Rhodan erklärt, daß er nicht in einem Bett enden wolle, umgeben von ›trauernden
Barbaren‹.
Der Arkonide hatte Rhodan von einem kleinen, den Menschen bisher unbekannten Sonnensystem
berichtet, das 6.381 Lichtjahre von der Erde entfernt war. Die gelbe Sonne vom Soltyp wurde von
fünf Planeten umkreist und war bereits vor einigen Jahrtausenden von dem Arkoniden Ufgar entdeckt
worden. Das System trug den Namen des Entdeckers. Der zweite Planet war eine wasserreiche
Sauerstoffwelt, etwas größer als der Mars. Die Schwerkraft betrug 0,84 Gravos. Urwälder und Meere
bedeckten den Planeten. Intelligente Lebewesen gab es hier nicht.
Diese Welt hatte sich Crest dazu auserwählt, seine letzten Tage zu beschließen. Rhodan hatte
dem Drängen des Wissenschaftlers schließlich nachgegeben und war mit der SOLAR SYSTEM von
Terrania gestartet.
Vorher hatte er Gucky und die achtundzwanzig jungen Mausbiber auf dem Mars abgesetzt. Gucky
war dort geblieben, um seinen Artgenossen die Eingewöhnungszeit zu erleichtern.
Jetzt war Rhodan hier, um Crest einen guten Platz auszusuchen.
»Vorsicht da unten!« brüllte Leutnant Tuncher herunter.
Der Ausleger des Krans schwenkte aus der Luke heraus. Tuncher wedelte mit den Armen, als das
kleine Haus an dem Haken zu schwanken begann.
»Wollt ihr eine Ruine hier absetzen?« schrie er außer sich.
Einige verschüchterte Männer erschienen am Rand der Luke, um den Erfolg ihrer bisherigen
Arbeit zu besichtigen. Der Leutnant knurrte sie unzufrieden an.
»Ist der Platz da unten richtig?« rief er zu Rhodan hinab.
»Ja«, bestätigte Rhodan, »die Männer sollen ablassen.«
Frei an einer Stahltrosse hängend, sank das Fertighaus langsam auf das Ufer hinab. Tuncher
begleitete den Vorgang mit Verwünschungen und Drohungen.
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