Silberband 018 - Hornschrecken
fertig zum nächsten Sprung. Diesmal befand sich sein Opfer innerhalb
der Sprungweite, außerdem schwebte es schräg unter ihm, und mit dem kräftigen Lichtstrahl der
Lampe verriet es obendrein noch seine genaue Position.
Eine Zehntelsekunde lang war Joel unfähig, sich zu rühren. Einen Atemzug lang hielt ihn der
Schreck so gefangen, daß er nicht wußte, was er als nächstes tun sollte.
Dann erinnerte er sich des einzigen Mittels, das ihm jetzt noch helfen konnte. Er griff in die
Tasche und brachte den eiförmigen Gegenstand zum Vorschein, den er aus dem Lager mitgenommen
hatte. Er nahm sich zwei Sekunden Zeit, um die Entfernung abzuschätzen und die Zeitspanne, die
ihm noch blieb. Dann drückte er den kleinen Zünder ein und warf das Ei dem Wurm entgegen.
Die Tragschraube zog ihn nach Süden. Jetzt, im kritischen Augenblick, war Joel plötzlich ganz
ruhig. Ob er in den paar Sekunden, die ihm bis zum Absprung des Wurmes noch blieben, zwanzig oder
dreißig Meter zurücklegte, war völlig gleichgültig. Wenn sein Plan nicht funktionierte, war er in
jedem Fall verloren.
Am Fuß des Hügels, dort, wo das Ei gelandet war, glühte ein rotes Licht auf. Es wuchs rasch,
und die Farbe wechselte über gelb und grün nach weißblau. Ein Glutball ungeheurer Hitze wuchs aus
der Erde und schoß über die Kuppe des Hügels hinaus.
Joel sah noch, wie der Wurm sich abstieß. Er schützte die Augen mit beiden Händen vor der
Lichtflut, die von der Glut ausging, und spähte zwischen den Fingern hervor. Er sah den Wurm aus
dem Feuer heraus zum Vorschein kommen. Der Sprung war kraftlos und reichte kaum siebzig Meter
weit. Es sah so aus, als hätte das Tier im letzten Augenblick seine Absicht geändert. Sofort nach
dem Aufprall wandte es sich um und kroch, so schnell es konnte, auf den feurigen Ball der
Explosion zu.
Vom Hügel her begann erhitzte Luft sich auszubreiten. Sie trieb Joel vor sich her. Joel
brauchte nichts weiter zu tun, als mit der Tragschraube die Höhe zu regulieren, in der er sich
bewegte. Die Hitze ringsum nahm ihm fast den Atem.
Er sah, wie das Ungeheuer im Lichtkreis der Explosion verschwand. Das Ei war nichts weiter,
als eine langsam zündende Kernbombe, eine Fusionskammer, der von jetzt an bis in zwanzig Stunden
ständig neues Fusionsmaterial zugeführt wurde, um die Explosion aufrechtzuerhalten. Zwanzig
Stunden lang würde die Bombe ungeheure Energiemengen produzieren und ringsum ausstrahlen.
Zwanzig Stunden lang würde der Wurm in einem Energiebad schwelgen, wie er bislang noch keines
erlebt hatte.
Joel atmete auf. Die Bewegung der heißen Luft steigerte sich zum Sturm. Er konnte seine
Aufmerksamkeit jetzt genau auf die Manöver seiner Tragschraube richten. Der Wurm war abgelenkt.
Von jetzt an bis in zwanzig Stunden bedeutete er für niemand eine Gefahr.
Joel versuchte, sich zu orientieren. Er war vom Lager aus nach Westen geflogen. Er hatte keine
Zeit gehabt, seinen Kompaß allzu genau zu befragen. Aber wenn er sich jetzt wieder nach Osten
hielt, müßte er den Weg zurückfinden.
Er fragte sich, was aus den anderen geworden sei. Dabei fiel ihm ein, daß er, entgegen seinen
eigenen Anordnungen, völlig versäumt hatte, sein Armband-Sende- und Empfangsgerät
einzuschalten.
Aus dem Empfänger drang eine Serie verworrener Stimmen. Die Sorge um den Rest
seiner Gruppe fiel von Joel ab wie eine schwere Last, deren Druck er erst in den letzten Minuten
zu spüren begonnen hatte. Er konnte die einzelnen Worte nicht verstehen. Das bedeutete, daß die
Raumfahrer sich ohne Hilfe der Armbandgeräte unterhielten. Sie hatten wieder zueinander gefunden,
als die Gefahr vorüber war.
Eine einzelne Stimme löste sich plötzlich aus dem Wirrwarr und wurde deutlicher.
»Nun mal mit der Ruhe«, sagte jemand, wahrscheinlich Joey Peters. »Wir vermissen drei Männer.
Den Kommandeur, einen Jorgens und Harney Creeser. Wir müssen damit rechnen, daß sie nicht mehr am
Leben sind.«
Joel grinste. Joey würde Augen machen, wenn er ihn wieder zu sehen bekam.
»Ich habe Harney schreien hören, während er weglief«, meldete sich Barbara Spencers Stimme.
»Er muß verrückt gewesen sein.«
Joel preßte den Empfänger ans Ohr.
Eine andere, dumpfe Stimme fügte hinzu: »Und Eric blieb mit Carso zurück. Wahrscheinlich
wollten sie Creeser helfen. Dabei muß es beide erwischt haben.« Etwas hilflos und kaum mehr
verständlich schloß der Sprecher: »Ich bin übrigens Fran. Jetzt kann es
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