Silberband 018 - Hornschrecken
über das Auftauchen der Terraner so erschrocken
war, daß ! auch nicht einer sein Gewehr hochriß, platzte der
Plastikbehälter. Die Eingeborenen machten auf der Stelle kehrt und jagten davon.
Herzog wagte es, kurz Tyll Leyden anzusehen. Zum wiederholten Male hatte der Wissenschaftler
vor ihm, dem erfahrenen Offizier, Gefahren entdeckt und blitzschnell reagiert.
Leydens Gesicht zeigte weder Stolz noch Triumph. Wurfbereit trug er in jeder Hand einen
Plastikbehälter. Es waren seine beiden letzten Gasgranaten.
Der schwarzen Wand waren sie unmerklich nähergekommen. Ihre dunkle Oberfläche war so glatt wie
eine polierte Schieferplatte. An einigen Stellen durchzogen dunkelbraune Adern das Gestein. Die
Gasse, durch die die Kolonne jetzt im Laufschritt stürmte, führte steil bergan. Hinter einem
scharfen Knick blieben Herzog und Leyden abrupt stehen.
Sie hatten den Stadtrand erreicht.
Vor ihnen, zweihundert Meter entfernt, ragte die dunkle Wand senkrecht in den Himmel. Sie
sahen die beiden Fugen, wo die Ringmauer sich mit der Felswand des Achttausenders verband.
»Großer Gott«, keuchte Herzog. »Da, Leyden … da ist die Bevölkerung der Stadt.«
Der Fluß durchströmte das befestigte Stadtgelände. Innerhalb dieses Gebiets war der
Gebirgsfluß an einigen Stellen zehnmal so breit wie draußen im Talkessel. Auf seiner breitesten
Strecke lag eine erstaunlich große Insel, die von einer mächtigen Mauer umgeben war.
Die Flöße, die angekettet auf dem Wasser tanzten, verrieten, wie die Bevölkerung der Stadt die
Insel erreicht hatte. Drei Kilometer weit waren Herzog und seine Männer davon entfernt.
Hinter ihnen wurde es laut. Zwei weitere Gruppen hatten kurz nach ihnen die schwarze Wand
erreicht. Fünf Verwundete brachte man mit. Einer war schwer verletzt.
Wieder gab es Alarm. Vom Fluß her schossen Kugelbäuche aus Gewehren auf sie. Die Terraner
gingen in Deckung. Herzog setzte einen Trupp in Marsch, der die Aufgabe hatte, die
Kugelbauchwesen von der Wand fernzuhalten.
»Warum jagen wir nicht eine Gasrakete hinüber?« fragte ein Mann.
»Wieviel sind davon noch vorhanden?«
»Drei.«
Herzog schüttelte den Kopf. Der Trupp bekam den endgültigen Befehl, in Einsatz zu gehen.
»Wahrscheinlich kommen noch Situationen«, erklärte Herzog, »in denen diese drei Raketen unsere
letzte Chance sind. Wenn ich mir diese schwarze, glatte Wand ansehe, dann frage ich mich: Wie
wollen wir einige tausend Meter tief in den Berg hineinkommen?«
Die letzte Gruppe erreichte den Stadtrand.
Warum liefen die Männer, als ob ihnen die Angst im Nacken säße?
»Alarm an unser Schiff! Alarm! Die Eingeborenen kommen mit Kanonen! Sie sind uns auf den
Fersen!«
Torkelnd kamen die Männer heran. Ihr Anführer konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
Nach Luft ringend, erstattete er Oberstleutnant Herzog Bericht.
»Was?« schrie Herzog. Er konnte es nicht glauben. Er hatte im stillen immer gehofft, daß das
Spiel des Unsterblichen mit ihnen keine tödlichen Folgen haben würde. Und jetzt mußte er hören,
daß die achte Kolonne ihren Durchbruch durch die Stadt mit drei Toten hatte bezahlen müssen.
Herzog war außer sich. »Notsignal schießen!«
Die Signalrakete stieg zischend hoch, aber ihr Kurs war nicht stabil. Sie kam der schwarzen
Wand näher und näher. Jetzt prallte sie dagegen, explodierte, und statt eines dreifachen
Rotzeichens standen acht Zeichen über ihnen in der Luft.
Betroffen blickten die Männer sich an. Niemand verfügte über eine weitere Signalrakete. Beim
Durchbruch in die Stadt war der Vorrat verlorengegangen.
Die letzten drei Gasraketen wurden auf der Lafette ausgerichtet. Niemand glaubte daran, daß
man damit die anrückenden Angreifer und ihre Kanonen vertreiben könnte.
Von der Ringmauer her donnerten ununterbrochen die Geschütze.
Die ersten Ureinwohner, zusammen mit einer Kanone, tauchten auf – fast einen Kilometer
von ihnen entfernt.
»Und wir haben nur drei Gasraketen«, hörte Herzog in seiner Nähe sagen.
Er hatte das gleiche gedacht.
Wie ein Ameisenschwarm strömten Kugelbäuche mit ihren Geschützen aus den Gassen. Dicht
nebeneinander fuhren sie die Kanonen auf.
Herzogs Männer lagen wieder in Deckung. Nur einer nicht: Tyll Leyden. Er ging an der schwarzen
Wand entlang und musterte sie eingehend.
»Leyden, kommen Sie zurück!« schrie ihm Herzog nach.
Vielleicht hörte der Wissenschaftler wirklich nicht, vielleicht wollte er aber den Ruf nicht
Weitere Kostenlose Bücher