Silberband 018 - Hornschrecken
Sie blickten durch die kreisförmigen Fensteröffnungen in einfache, fremdartig
eingerichtete Wohnungen. Sie fanden keinen einzigen Imposbewohner. Alle Häuser waren leer.
Keine einzige der acht Kampfgruppen Herzogs verfügte noch über eine
Tränengasrakete. Der Bestand an Handgranaten war in der letzten Viertelstunde erschreckend klein
geworden.
Sie kamen nicht mehr vor und auch nicht zurück. Von allen Seiten waren sie von Kugelbauchwesen
umgeben. Ein Kugelregen prasselte so stark gegen ihre Deckungen, daß niemand wagen durfte, den
Kopf zu heben.
Der Zufall hatte es mit sich gebracht, daß Thomas Herzog und Tyll Leyden in einem Loch
steckten. Von drei Seiten war es von Mauerresten umgeben. Die vierte Seite, in Blickrichtung zur
schwarzen Wand, war offen. Drei Schritte hinter ihnen lagen in einer Deckung die nächsten sechs
Männer. Auf der anderen Seite rief einer aus einer Unterkellerung etwas zu ihnen herüber, was
jedoch im höllischen Spektakel der Imposgewehre unterging.
Die Verständigung zwischen den einzelnen Gruppen war seit einer Viertelstunde abgerissen.
Herzog sah, wie Leyden fünf mit Gas gefüllte Handgranaten auf den Rand ihres Loches legte.
»Was haben Sie vor?« brüllte Herzog ihm ins Ohr.
»Denen das Schießen abgewöhnen.« Das war Leydens knappe Antwort.
Einen Augenblick später lauschten beide. Bisher nie erlebtes Geschützfeuer dröhnte über die
Stadt. Sie sahen sich an und nickten. Sie hatten begriffen, daß die eingeschlossenen Kugelbäuche
wieder ihre Stadtmauer besetzt hatten und mit ihren dort fest eingebauten Kanonen in das Heer der
Angreifer feuerten.
Mit Sorgen dachten sie an die auf der Mauer zurückgelassenen verletzten sechzehn Mann mit
ihren Helfern.
»Für jeden Toten, den wir durch ES und sein wahnsinniges Spiel zu beklagen haben, möchte ich
ES an den Galgen bringen«, sagte Thomas Herzog wütend. »Leyden, Sie verdamm…«
Der lag schon wieder neben ihm, aber auf der Kante ihres Loches fehlten zwei Handgranaten. Nur
noch drei lagen dort. Blitzschnell hatte Tyll Leyden sich ungeachtet des Kugelregens aufgerichtet
und zwei der Tränengasbehälter geworfen.
Schrille Schreie drangen jetzt zu ihnen herüber. Das Gewehrfeuer der rechten Seite ließ nach.
Leyden griff zum nächsten Gasbehälter.
»Legen Sie sich mal auf den Rücken.«
Herzog schluckte, dann versuchte er, sich in ihrem Loch auf den Rücken zu legen. Mit Mühe und
Not gelang es ihm.
»Luft anhalten!« rief Leyden ihm zu.
Herzog hielt die Luft an. Deshalb konnte er nicht protestieren.
Tyll Leyden stand mit seinem vollen Körpergewicht auf seinem Brustkorb.
Leyden warf haarscharf an der Kante des deckunggebenden Mauerrestes den Plastikbehälter nach
links. Eine Sekunde lang hatte er auf Herzogs Brustkorb gestanden.
»Erledigt«, sagte er danach.
Keuchend richtete Herzog sich auf. Auch von links drang schrilles Geschrei zu ihnen herüber.
Der Oberstleutnant erkannte die veränderte Situation, die seiner Kolonne jetzt einige Chancen
gab.
»Raus aus den Löchern! Handgranaten werfen!« brüllte er nach hinten.
Eine Hand griff nach seinem Armgelenk. Tyll Leyden stand schon zwischen den Trümmern.
Wie macht er das? fragte sich Herzog, und kletterte schnell mit Leydens Unterstützung
aus dem Loch.
Sein Befehl war hier und da gehört worden. Plastikgranaten flogen nach allen Seiten. Eine
Gaswolke kam auf sie zu. Männern liefen die Tränen über das Gesicht. Sie fluchten. Aber das
schrille Geschrei der entsetzten Imposbewohner entfernte sich immer weiter. Das Gewehrfeuer war
fast verstummt.
»Weiter!« brüllte Herzog. »Meldung an mich, wer vermißt wird!«
Als sie die Trümmerstrecke hinter sich hatten, erreichte ihn die Meldung, daß es
glücklicherweise nur drei Leichtverletzte gegeben hatte.
Sie befanden sich wieder in einer winkligen Gasse. Sie vertrauten einfach darauf, daß auch
diese Häuser geräumt waren.
»Können Sie sich vorstellen, wohin die ganze Stadtbevölkerung geflohen ist, Leyden?«
Der schüttelte nur den Kopf.
Die Angreifer kamen erstaunlich schnell vorwärts. Dreimal schlug ihnen aus Seitengassen Feuer
entgegen. Mit einigen Gasgranaten vertrieben sie die Kugelbäuche.
»Ich frage mich immer wieder, warum keiner von uns auf den Gedanken gekommen ist, mit den
Imposwesen Verbindung aufzunehmen, Leyden.«
Der betrachtete sich nicht als angesprochen. Er warf eine Gasgranate in die Gasse zu seiner
Rechten. Zwischen einer Gruppe Kugelbäuche, die
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