Silberband 019 - Das Zweite Imperium
ihre Strategie
fest. Sie basierte darauf, daß der Meister der neunzehnten Vorsicht sofort einen Reparaturtrupp
auf die Beine bringen würde, wenn er feststellte, daß die Abhöranlage ruiniert worden war.
Andererseits würde er wahrscheinlich nicht damit rechnen, daß ihr Manöver darauf abzielte, sich
in den Besitz der Projektoren zu setzen. Ein Reparaturtrupp, selbst wenn er über das wirkliche
Aussehen der beiden Gefangenen informiert war, würde für einen kurzen Augenblick verwirrt sein.
Und diese Situation mußten sie nutzen, um zu fliehen. Torav glaubte nicht, daß alle Mitglieder
des Trupps bewaffnet waren. Sie hatten ihre Werkzeuge zu schleppen. Wahrscheinlich gab es nur
einen einzigen Aufpasser, der die Gefangenen im Auge behalten sollte, während seine Männer
arbeiteten. In den Sekunden der ersten Überraschung mußte dieser Aufpasser überwältigt
werden.
Zur Vernichtung der Abhöranlage würde es ausreichen, den verborgenen Bildschirm zu
zertrümmern. Torav und Hauka hatten ausgemacht, daß Hauka dies in einem vorgetäuschten
Tobsuchtsanfall tun sollte. Vielleicht gelang es so, Iül-Theer-Hij ein paar Minuten länger über
den wahren Hintergrund der Aktion hinwegzutäuschen.
Der genaue Zeitpunkt des Tobsuchtsanfalls wurde festgelegt. Dann begannen die beiden Terraner
sich auf Interkosmo, gelegentlich auf Englisch zurückgleitend, über belanglose Dinge wie Hunger
und Müdigkeit zu unterhalten. Torav beschwerte sich darüber, daß sie nichts zu essen bekämen, und
Hauka fand es unerhört, daß sein Bett noch nicht gemacht worden wäre. Bewußt gebrauchten sie
völlig lächerliche Argumente, so daß Iül-Theer-Hij, wenn er sich über die terranische Mentalität
informieren wollte, etwas zum Kopfzerbrechen bekäme.
Ihre Nörgeleien blieben unbeachtet. Weder kümmerte sich jemand um Haukas Bett, noch gab der
Tisch, der in seiner dicken Säule ohne Zweifel einen elektronischen Servomechanismus enthielt,
auch nur die geringste Quantität Proviant von sich.
Hauka stand schließlich auf und ging zum Fenster. Torav beachtete ihn nicht. Er saß am Tisch
und war in seine Gedanken versunken.
Da schreckte ihn Haukas zischender Ruf in die Höhe. »Torav – komm her!«
Hauka sprach Interkosmo. Er stand am Fenster und wandte Torav den Rücken zu. Draußen mußte es
etwas geben, das ihn erregte. Torav trat neben ihn und sah ebenfalls hinaus. Die Sonne war in den
vergangenen Stunden gewandert. Der Schatten des Gebäudes, in dem sie sich befanden, fiel weit
hinaus auf den Hof, den sie vom Fenster aus übersehen konnten.
Was für ein Schatten. Torav wußte sofort, was Hauka erregt hatte.
Zog man den Stand der Sonne in Rechnung, dann konnte das Rundhaus nicht besonders hoch sein,
nicht mehr als zwanzig Meter, schätzte Torav. Dafür betrug der Durchmesser wenigstens siebzig. Im
Gegensatz zu anderen Gebäuden auf Apas war das Dach völlig flach. Im Schattenriß bildete es eine
sanft gewölbte Kante.
Über diese Kante hinaus ragte ein Durcheinander von Gestängen, Kreisen und Vielecken, manche
davon in unaufhörlicher, rotierender Bewegung, andere starr mit ihren Stützen verbunden. Ein
einziger Stab stach schlank und spitz in die Höhe, so daß das Ende seines Schattens an den Fuß
der Mauer zu liegen kam, die den Hof begrenzte.
Eine Antenne …
Und mehr als das. Das Gestänge, die starren rotierenden Reflektorscheiben, die kleinen
Details, die im Schattenwurf kaum zu erkennen waren, sie fügten sich zu einem geschlossenen Bild
zusammen, wie Torav Drohner und jeder andere Raumfahrer es schon hundertmal in der Umgebung von
Raumhäfen gesehen hatte, mit ein paar Abweichungen allerdings, die durch die verschiedene
Entwicklung der Technologie bedingt waren.
Das Bild einer Kursleitstation.
Von hier aus wurden ankommende und startende Raumschiffe gesteuert. Das nadelfeine,
verläßliche Feld der Hyperortung brachte sie sicher und ohne Zutun des Kommandanten auf den
richtigen Kurs. Die Kursdaten waren in den elektronischen Speichern aufbewahrt und konnten
jederzeit abgerufen werden, um den Hyperfeldprojektor mit den nötigen Leitwerten zu versehen.
Kursdaten …
Torav drehte sich langsam zur Seite und sah Hauka an. Sie nickten einander zu, und in ihren
Augen leuchtete die Begeisterung darüber, daß sie endlich am Ziel waren – gerade jetzt, da
sie am wenigsten damit gerechnet hatten.
Iül-Theer-Hij beobachtete die Gefangenen fast unablässig. Bei zweien von ihnen gab
Weitere Kostenlose Bücher