Silberband 027 - Andromeda
Zwang hob er ihn auf.
Ein vielstimmiger Schrei ertönte.
Halb im Unterbewußtsein registrierte der Modul, daß er den Schrei nicht akustisch wahrgenommen
hatte. Vielmehr war er mitten im Wahrnehmungszentrum seines Gehirns entstanden. Er fühlte sich
von aller gegenständlichen Umwelt abgeschnitten.
Baar Lun bemerkte nicht, daß die Botas ihr Feuer einstellten, daß Icho Tolot mit schweren,
stampfenden Schritten näherkam. Er ›sah‹ nur ein helles, grünliches Licht strahlen.
Und eine körperlose Stimme war in seinem Geist:
»Das Große Leben unterwirft sich dem Mächtigen …!«
Eine riesige Woge trug Baar Lun mit sich. Von irgendwoher kam dumpfes Donnergrollen.
Jubelschreie ertönten. Blitze zuckten durch die Nacht.
Und Baar Lun wartete auf die Stimme des Großen Lebens. Doch sie kam nicht mehr.
John Marshall starrte den Teleporter fast eine Minute lang fassungslos an.
Ein Lebewesen, das die Explosionsenergie einer Bombe mit der Wirkung von fünf Milliarden
Tonnen TNT wie einen Leckerbissen in sich aufnahm, war schlechterdings unvorstellbar!
Cart Rudo mischte sich mit polternder Stimme ein.
»Wenn es ein Lebewesen war, das nur kraft seines Geistes und mit seiner Körperenergie
Raumprojektionen und Zeitfelder schuf, das über die Entfernung des halben Riesenplaneten hinweg
unsere CREST mit einem Fesselfeld festhält – dann glaube ich auch, daß es die nukleare
Energie einer Fünf-Gigatonnen-Bombe bändigen kann. Wahrscheinlich hat es den Kernprozeß gebremst,
damit ihm nichts von der freiwerdenden Energie verlorenging.«
Marshall nickte geistesabwesend. In seinem Gesicht arbeitete es. Dann schien er einen
Entschluß gefaßt zu haben.
»Es bleibt keine andere Wahl«, erklärte er. »Wir müssen Smaragd I mit einer Arkonbombe
vernichten, oder die Andromeda-Mission scheitert auf dieser Welt. Die Arkonbombe ist das einzige
Mittel, mit dem wir das unglaubliche, fremde, energiefressende Wesen von uns ablenken können, so
daß es das Fesselfeld vernachlässigt und der CREST der Start ermöglicht wird. Eine unmittelbare
Gefahr für dieses Wesen besteht meines Erachtens nicht, da es die freiwerdenden Energien eine
Zeitlang absorbieren können wird – danach aber wird es diese Welt verlassen müssen. Uns
könnte dadurch die Flucht gelingen.«
Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. Sie wußten genau, was eine Arkonbombe war. Diese
Waffe, entwickelt von den alten Arkoniden vor mehr als zehntausend Erdjahren, löste einen
unlöschbaren Atombrand für alle Elemente über der Ordnungszahl 10 aus. Einmal auf einem Planeten
gezündet, war der Prozeß nicht mehr aufzuhalten. Er endete entweder damit, daß der betreffende
Planet zu einer kurzlebigen Sonne wurde oder daß er in einer kosmischen Explosion zerplatzte.
Es gab wenig Fälle, in denen die Gesetze des Solaren Imperiums den Einsatz dieses
Massenvernichtungsmittels zuließen.
Smaragd I war ein solcher Fall.
Entscheidend war letzten Endes die Tatsache, daß es außer dem Aggressor auf Smaragd I kein
Leben gab oder jemals geben würde.
John Marshall ging mit schweren Schritten zum Interkom und gab einen Befehl an das
Waffenmagazin durch. Zehn Minuten später erschienen zwei Roboter und ein Waffenspezialist. Die
Roboter trugen die tückisch funkelnde Bombe auf einer Schaumstofftrage.
Der Telepath überzeugte sich davon, daß die Normeinstellung stimmte. Dann wandte er sich an
Ras Tschubai.
»Sie werden die Bombe nur etwa eine Sekunde halten müssen. Das ist, während Sie
materialisieren. Dann lassen Sie sie vorsichtig zu Boden gleiten und kehren hierher zurück.
Halten Sie sich nicht auf. Bringen Sie die Bombe mitten ins Ziel. Wieviel Zeit benötigen Sie
dafür, Ras?«
»Eine halbe Minute«, erwiderte der Afro-Terraner tonlos.
»Gut!« Marshall wandte sich wieder an den Waffentechniker. »Stellen Sie die Zündung auf eine
Laufzeit von einer Minute!«
Nachdem der Techniker seine Arbeit beendet hatte, hoben die Roboter die Bombe behutsam aus
ihrem stoßfreien Lager und stellten sie auf den Boden. Ras Tschubai trat daneben und klappte den
kurzen Tragegriff heraus.
»Drücken Sie den Manuell-Zünder nieder!« befahl John Marshall. »Danach warten Sie eine
Viertelminute – und dann: springen!«
Der Teleporter nickte stumm. Er klappte seinen Helm nach vorn und überprüfte sorgfältig den
Verschluß. Dann faßte er den Griff der Bombe mit der Rechten. Die linke drückte den Zündstift
ein.
John Marshall glaubte,
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