Silberband 028 - Lemuria
Interkoms bis in den
hintersten Winkel der Halle deutlich zu hören war. Er fühlte sich beunruhigt. Korpel konnte die
Halle nicht verlassen haben, ohne ihm Bescheid zu geben. Er mußte noch dort sein. Wenn er sich
nicht meldete …
Einen Augenblick später war Frasbur auf dem Weg zur Halle. Mit weiten, hastigen Schritten
durchquerte er den langgestreckten Raum, in dem er sonst die transportbereiten Lemurer
unterzubringen pflegte. Als er die Tür zur Halle öffnete, drang ihm das vertraute Summen der
Maschinen entgegen.
Er rief Korpels Namen, aber der Zwerg antwortete nicht. Voller Erregung stürmte er durch den
Kreis der Psychogeneratoren, die Korpel rings um die Liege aufgestellt hatte, auf der er seine
Opfer festzubinden pflegte.
Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Gebannt blieb er
stehen. Korpels mißgestalteter Körper mit den Dutzenden von bunten Kabeln, die von ihm
herabhingen, bot einen häßlichen Anblick. Die großen dunklen Augen starrten nichtssagend ins
Leere.
Als Frasbur den ersten Schock überwunden hatte, näherte er sich vorsichtig der Liege. Korpel
war tot, daran bestand kein Zweifel. Trotzdem fand Frasbur es schwer zu begreifen. Er hatte sich
an den Zwerg gewöhnt wie an einen, von dem er wußte, daß er immer, von jetzt an bis in alle
Zukunft, in der Nähe sein würde. Er hatte ihn nicht leiden mögen; aber er mußte zugeben, daß er
nützlich gewesen war.
Jetzt lag er vor ihm – reglos und tot.
Es dauerte eine Weile, bis Frasbur die wahre Bedeutung des Vorfalls aufging. Der terranische
Agent, den Korpel hier verhört hatte, war entkommen. Vielleicht hatte ihn der zweite, dem Korpel
auf die Spur zu kommen versuchte, befreit. Je länger Frasbur darüber nachdachte, desto plausibler
erschien ihm diese Möglichkeit. Beide hatten die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen. Damit
besaßen sie volle Bewegungsfreiheit. Es war kaum auszudenken, welchen Schaden sie anrichten
konnten.
Einen Augenblick lang stand Frasbur wie gelähmt vor Schreck, als ihm einfiel, daß die beiden
Terraner sich womöglich in diesem Augenblick in seiner unmittelbaren Nähe befanden und ihn
beobachteten, um den geeignetsten Augenblick zum Zuschlagen abzuwarten.
Er war waffenlos. Die Angst trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Ein paar Sekunden
verstrichen, dann wurde ihm klar, daß die Unsichtbaren ihn längst ergriffen hätten, wenn sie sich
in der Nähe befänden. Sie waren also nicht hier. Wo hielten sie sich dann auf?
Ein furchtbarer Verdacht gewann Form. Er selbst hatte bis vor wenigen Minuten mit einem der
Meister gesprochen. Wenn die beiden Terraner unbemerkt den Senderaum hatten betreten können, dann
hatten sie das Gespräch mitgehört. Und wenn es sich um die Leute handelte, die schon einmal in
sein unterirdisches Versteck eingedrungen waren, dann besaßen sie die Fähigkeit, auf Funkwellen
jeder Struktur zu reisen.
Dann befanden sie sich jetzt, in diesem Augenblick, an Bord des Raumschiffes, von dem aus
Regnal-Orton, der Meister, mit ihm gesprochen hatte.
Noch schneller, als er gekommen war, eilte Frasbur in den Senderaum zurück. Er aktivierte das
mächtige Aggregat des Hypersenders und versuchte, eine Verbindung mit Regnal-Ortons Raumschiff
herzustellen.
Aber das Schiff meldete sich nicht mehr. Es mußte die Reise durch den Transmitter schon
angetreten haben.
Regnal-Ortons Raumschiff war ein Zwerg unter den mächtigen Einheiten der
lemurischen Flotte, die sich im Raum um Kahalo bewegten. Torpedoförmig und nur dreißig Meter
lang, glich es eher einem mittelgroßen Beiboot.
Und doch war es ein Schiff, welches bedeutungsvoller war als alle anderen in diesem
Sektor – aber dies wußte so gut wie niemand.
Unter der Tarnung eines Abgesandten der tefrodischen Zentralregierung hatte Regnal-Orton mit
verschiedenen Zeitagenten Kontakt aufgenommen.
Fast alle Agenten besaßen einen hohen Rang in der lemurischen Hierarchie, der ihnen
Beweglichkeit und Einfluß verlieh. Niemand hatte auch nur eine Ahnung davon, daß sie aus einer
Zeit stammten, die für die Lemurer fünfzigtausend Jahre in der Zukunft lag. Und natürlich hatte
niemand jemals von den Meistern der Insel gehört.
52.000 Jahre nach dem Krieg gegen die Haluter waren die Meister ihrerseits in einen Krieg
gewaltigen Ausmaßes verwickelt. Ihr mächtiges Reich, das den gesamten Andromeda-Nebel umfaßte,
war vom Verfall bedroht. Die Meister, die ihr Imperium hauptsächlich
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