Silberband 029 - Der Zeitagent
Im Licht der Lampen konnten wir
sehen, daß im Innern des Turmes alle Einrichtungen weitgehend von der Zerstörung verschont
geblieben waren. Überall standen Ortungs- und Peilgeräte. An den Wänden erkannte ich mehrere
Maschinen, die alle noch funktionsfähig zu sein schienen. In der Mitte des Raumes war der
Einstieg zu einem Antigravschacht. Ich bezweifelte jedoch, daß er intakt war.
Es stank nach verbrannter Isolation, nach Teer, Öl, Metall und Plastik.
Außer unseren Schritten war nichts zu hören.
»Wir wollen versuchen, den Eingang zu verschließen«, ordnete Redhorse an. »Außerdem schalten
wir sofort unsere Antigravprojektoren aus. Das wird unseren Verfolgern die Suche nach uns
erschweren.«
Ich hatte die Kampfroboter der Tefroder fast vergessen. Papageorgiu und Doutreval lösten
einige Metallverkleidungen von den Maschinen und verbarrikadierten damit den Eingang. Das Heulen
des Sturmes wurde zu einem kaum hörbaren Säuseln.
»Wir klettern hinab«, sagte Redhorse und zeigte in Richtung des Schachtes. »Vielleicht finden
wir weiter unten irgend etwas, was uns weiterhilft.«
Alles, was wir benötigten, war ein Hyperfunkgerät. Ich bezweifelte, daß wir eines finden
würden. Der Gedanke, durch den dunklen Turm in die unbekannte Tiefe vorzudringen, rief
Unsicherheit in mir hervor.
Redhorse probierte ein paar Hebel, doch nichts geschah.
»Keine Energie mehr«, sagte Doutreval. »Vielleicht gibt es irgendwo einen Notabstieg.«
Es gab einen. Es handelte sich um einen schmalen Schacht mit einer zerbrechlich aussehenden
Metalleiter. Brank deutete auf das Loch im Boden und sagte: »Ich glaube nicht, daß Surfat hier
durchkommt.«
»Da ich keine Zeit für eine Abmagerungskur habe, werde ich mich schon irgendwie durchzwängen«,
antwortete ich wütend.
Redhorse leuchtete in die Tiefe. »Wenn wir im Schacht stecken, sind wir leicht anzugreifen«,
sagte er. »Trotzdem werden wir den Abstieg riskieren.«
Er machte den Anfang und war gleich darauf verschwunden. Ich hörte seine Stiefel auf den
Metallsprossen der Leiter aufschlagen. Brank, Papageorgiu, Doutreval und ich folgten. Bradon
bildete den Abschluß.
Wir versammelten uns am Ende des Schachtes in einem langgestreckten Raum mit kahlen Wänden und
Steinfußboden. Gegenüber der Temperatur, die im Freien herrschte, war es hier fast warm. Die
Luft, die wir atmeten, erschien mir stickig. Vielleicht war es auch nur ein Gefühl der Beengung,
das mich bedrückte. Ständig mußte ich an die Millionen Tonnen von Eis denken, die uns
einschlossen.
Redhorse leuchtete mit seinem Scheinwerfer die gesamte Umgebung ab, bevor er sprach. Dabei
entdeckte er zwei Türen.
»Es besteht kein Zweifel, daß wir uns im Kontrollzentrum eines ehemaligen lemurischen
Raumhafens befinden«, sagte der Major. »Der Raumhafen ist bereits von den Eismassen überrollt
worden. In der Nähe muß eine Stadt existiert haben. Natürlich wurde sie von den Gletschern
zermalmt, doch wir wissen, daß die lemurischen Städte große Untergrundsiedlungen besaßen.«
»Sie meinen die Bunkerstädte unter den eigentlichen Wohnsiedlungen«, warf Bradon ein.
»Ja«, bestätigte der Cheyenne. »Die Lemurer bauten diese Bunker, um einen gewissen Schutz vor
der halutischen Großoffensive zu haben.«
»Soll das etwa bedeuten, daß Sie vorhaben, in diese unterirdische Stadt einzudringen, Sir?«
fragte Brank. Seine schrille Stimme klang geisterhaft.
»Dort können wir vielleicht Überlebende finden«, sagte Redhorse.
Bradon ergriff Branks Partei. »Halten Sie das nicht für gefährlich, Major?«
»Natürlich ist es gefährlich«, sagte Redhorse. »Aber auf dieser Welt gibt es keine
ungefährlichen Plätze. Wir benötigen Verpflegung und müssen einen Weg finden, um mit Perry Rhodan
in Verbindung zu treten.«
Ich dachte an die Lemurer, die früher diese Räume benutzt hatten. Es war fast unvorstellbar,
daß sich an diesem unheimlich wirkenden Ort einmal lebende Wesen aufgehalten hatten. Sie alle,
die hier gelebt und gearbeitet hatten, waren seit Jahrhunderten tot und vergessen. Nichts konnte
sie zurückbringen. In ihren Herzen waren vielleicht die gleichen Sehnsüchte gewesen, die auch uns
beherrschten, und ihre Gedanken mochten sich nur wenig von den unseren unterschieden haben. Jetzt
wußten wir nicht einmal mehr ihre Namen. Der Tod eines denkenden Wesens erschien mir plötzlich
als eine Ungerechtigkeit, als ein Anachronismus, der durch irgendeinen Fehler im
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