Silberband 040 - Dolan-Alarm
einen scharfen Verstand«, erwiderte das Wesen. »Selbstverständlich bin ich nicht
von deiner Art – was die äußere Erscheinung betrifft. Aber ist denn das entscheidend?«
»Natürlich nicht«, sagte ich beschämt. »Entscheidend ist immer die Verwandtschaft des Geistes,
und was das angeht, scheinst du dich nicht von mir zu unterscheiden. Dennoch solltest du meine
Frage beantworten, denn mein Freund und ich befinden uns in einer Lage, in der wir sehr
mißtrauisch sein müssen – allem gegenüber, das wir nicht genau kennen.«
»Mein Name ist Nex«, antwortete das Wesen. »Zugleich bin ich ein Nex. Wir sind eine
Daseinsform aus dem Kontinuum, das ihr wahrscheinlich Überpararaum oder Superhyperraum nennen
würdet. Was du von mir siehst, ist in deinem Kontinuum zwar materiell, aber es ist nur eine
gesteuerte Materieprojektion aus dem Überpararaum. Ich selbst kann mein eigenes Kontinuum nicht
verlassen – jedenfalls nicht ohne ein Schutzfeld aufzubauen, das jeden Kontakt mit euch
verhindern würde. Euch geht es ja ähnlich, wenn ihr den Hyperraum betretet. In Wirklichkeit habt
auch ihr keinen Kontakt zum Hyperraum, da ihr in einem kugelförmigen Energiefeld seid, das euch
gegen den Hyperraum abkapselt.«
Ich überlegte krampfhaft, wie ich mir das wirkliche Erscheinungsbild von Nex vorstellen
sollte. Doch bald gab ich es auf. Nur etwas anderes wollte mir nicht einleuchten.
»Darf ich dich berühren?« fragte ich.
»Nur zu!« sagte Nex und streckte eine Hand nach mir aus. Ich ergriff sie und preßte sie mit
vorsichtigem Druck. Sie war fest, und sie hielt auch dann stand, als ich den Druck meiner Hand
erhöhte.
»Etwas verstehe ich noch immer nicht«, erklärte ich. »Du bist in meinem Kontinuum materiell,
wie ich eben feststellen konnte …«
»Materiell für die Naturgesetze deines Kontinuums«, sagte Nex. »Im Sinne meines Kontinuums ist
die Projektion nur bedingt materiell. Sie würde hier nicht als fest gelten, wenn du verstehst,
was ich meine.«
»Wollt ihr mich nicht endlich darüber aufklären, was hier vorgeht?« fragte Pinar Altos Stimme
ungeduldig aus dem Helmempfänger.
»Einen Moment noch, Alto!« bat ich. »Übrigens bekommen Sie alles über Kom mit. Ich sehe
lediglich Nex vor mir; das ist der einzige Unterschied.«
Der Haluter murmelte etwas in seiner Muttersprache, das ich nicht verstand, da ich das
Halutische nicht beherrschte. Aber dann schwieg er.
»Noch eine letzte Frage, Nex«, sagte ich. »Wie bist du auf uns gestoßen?«
»Durch reinen Zufall. Ich entwickelte eine Art Komposition über die benachbarten Räume und
durchstreifte deshalb euer Kontinuum schon seit langer Zeit – in eurem Sinne. Auf dem
Rückweg durch den Hyperraum streifte ich eure Dimensionsinsel und beschloß, das Phänomen zu
untersuchen. Denn es kommt nicht oft vor, daß wir auf derartige Inseln stoßen. Ich geriet dabei
in den Strom deiner Gedanken und projizierte einen Körper, der den Körpern deiner Art entsprach.
Da meine Materieprojektionen unabhängig von äußeren Bedingungen existieren, ignorierte ich das
Vakuum. Als ich meinen Fehler bemerkte, korrigierte ich ihn selbstverständlich, denn es ist nicht
üblich bei uns Nex, einem anderen Wesen in fremdartiger oder gar abstoßender Form
gegenüberzutreten.«
»Ein sehr guter Grundsatz«, murmelte ich, während meine Gedanken sich bereits mit der Frage
beschäftigten, ob Nex uns nicht behilflich sein könnte, unser Gefängnis im Hyperraum zu verlassen
und zur Station zurückzukehren.
»Ich will es versuchen«, sagte Nex. Er hatte also meine Gedanken gelesen. »Aber ich bin nicht
allmächtig, Perish Mokart. Im Gegenteil: Innerhalb eines fremden Kontinuums habe ich große
Orientierungsschwierigkeiten. Unsere Arten mögen sich zwar grundlegend unterscheiden, weil wir in
verschiedenen Räumen existieren, aber wir besitzen in unserem Kontinuum sicher keine größere
Macht als ihr in eurem.«
»Fragen Sie ihn, ob er in den Paratronkonverter eindringen und einen Paratronkanal herstellen
kann!« rief Pinar Alto.
»Ich kann dich genauso gut verstehen wie deinen Freund, Pinar«, antwortete Nex.
Ich mußte unwillkürlich grinsen, als ich daran dachte, welchen groben Verstoß gegen die
halutische Etikette sich Nex da erlaubt hatte. Unter Halutern war es absolut unüblich, sich zu
duzen. Doch Alto schien das Ungewöhnliche der Situation zu begreifen und die ›Entgleisungen‹ Nex'
ohne Widerspruch hinzunehmen. Er
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