Silberband 045 - Menschheit am Abgrund
plötzlich, was für ein Schiff das war, und eine Gänsehaut lief ihm den Rücken hinab. Wenn er ehrlich sich selbst gegenüber sein wollte, mußte er zugeben, daß er ein Verräter an der Solaren Menschheit war.
Und Rhodan mußte das ebenfalls wissen.
Der Erste Offizier meldete über den Interkom:
»Kommandant, das Schiff nimmt Fahrt auf. Es hat Kurs auf uns.«
Caraldo bemerkte es, als er den Panoramaschirm studierte. Kein Zweifel, der Riese verfolgte sie. Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen.
»Höchste Beschleunigungswerte«, befahl er dem Piloten. »Direkter Linearflug zu vorgesehenen Koordinaten. Kampfstand feuerbereit. Kein Funkverkehr.«
Dann lehnte er sich im Sessel zurück und wartete.
Etwas anderes konnte er im Augenblick auch nicht tun.
Gucky landete etwas unsanft auf dem Gestein einer Talsenke. Über ihm kreiste der Gleiter und versuchte ihm zu folgen. Es würde schwer sein, ihn hier in der Zwielichtzone des Merkur zu entdecken, aber sie hatten ja ausgezeichnete Meßgeräte an Bord.
Wichtiger war es jetzt, den Verräter und indirekten Mörder Goratschins zu finden. Der Miniaturorter in Guckys Kampfanzug war siganesischer Herkunft und absolut zuverlässig. Seine Zeiger jedoch schlugen kaum aus. Was sie anzeigten, waren mit Sicherheit Energiestreuungen von Merkurs Anlagen.
Rechts war ein kleiner See aus flüssigem Zinn, ein Zeichen dafür, daß er bereits außerhalb der eigentlichen Librationszone auf der Tagseite lag. Hier stiegen die Temperaturen bis weit über zweihundert Grad Celsius an. Der See lag in greller Sonnenbestrahlung, dicht daneben waren die Schatten tiefschwarz.
Gucky verzichtete darauf, seinen eigenen Deflektorschirm einzuschalten. Er wollte seinen Gegner herausfordern und hoffte, er würde eine Unvorsichtigkeit begehen. War er selbst auch unsichtbar, konnte die Jagd noch Tage dauern.
Gedankenmuster! Der Gegner – Gucky war jetzt fest davon überzeugt, es mit einem Anti zu tun zu haben – mußte für eine Sekunde unkonzentriert gewesen sein. Die Zeit war viel zu kurz für eine Anpeilung. Nicht einmal die ungefähre Richtung ließ sich feststellen.
Gucky schaltete seinen Funkempfänger ein und hörte Deightons Stimme. Sie rief immer wieder seinen Namen. Zuerst wollte der Mausbiber sich nicht melden, aber dann tat er es doch.
»Könnt ihr mir helfen? Ich habe ihn verloren.«
Deighton hörte auf zu rufen. Nach einer winzigen Pause sagte er:
»Es ist sinnlos, unten planlos weiterzusuchen. Wir haben eine schwache Energiestrahlung registriert, nördlich von hier. Sie wandert langsam nach Westen, der Sonne entgegen.«
»Das muß er nicht unbedingt sein …«
»Unsere Instrumente im Gleiter sind besser als deine, Gucky. Wir werden die Spur verfolgen, notfalls ohne dich.«
»Sei vernünftig, Galby. Ich bleibe hier, und wenn du mir die Richtung anzeigst, haben wir ein ungefähres Peilergebnis, sobald ich auch etwas empfange. Wir können ja eure Energiemessungen mit meinen Gehirnwellenmuster-Anmessungen kombinieren.«
Zu Guckys Überraschung willigte Deighton ein.
»Einverstanden, aber wir müssen in Verbindung bleiben. Wir fliegen jetzt nordwestlich. Geschwindigkeit fünfzig Kilometer pro Stunde.«
Gucky schaltete das Flugaggregat ein und erhob sich wenige Meter über die Oberfläche. Dann segelte er in die angegebene Richtung, und zwar mit gleicher Geschwindigkeit.
Er überquerte tiefe Spalten, in denen absolute Lichtlosigkeit herrschte. Im Schatten eines Bergkegels entdeckte er einen weiteren Zinnsee. Beim Näherkommen stellte er fest, daß sich das Zinn in ein silbergraues Pulver verwandelt hatte, ein Zeichen dafür, daß an dieser Stelle niemals die Sonne schien und die Temperaturen ständig weit unter Null Grad lagen.
»Er wechselt die Richtung«, gab Deighton bekannt. »Wieder genau nach Norden. Wir haben jetzt bessere Meßwerte. Die Robotortung hat hyperenergetische Abstrahlungen entdeckt. Sie müssen von einem HÜ-Schirm stammen.«
»Ich registriere sie auch«, sagte Gucky. »Er muß vor uns die Ebene überquert haben und im Gebirge angelangt sein. Vielleicht will er sich dort verbergen.«
»Suchen wir weiter.«
Es war ein wild zerklüftetes Gebirge an der Grenze zwischen Tag und Nacht. Einige Stellen des Gebirges waren ständiger Sonneneinstrahlung ausgesetzt, andere wiederum ewiger Weltraumkälte. Hier gab es mehr tief schwarze Schatten als anderswo.
Und mehr Verstecke.
Caraldo wußte, daß er der angreifenden INTERSOLAR nicht mehr entkommen konnte. Selbst
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