Silberband 047 - Die Cappins
geschehen, wenn wir auch nur hundert ihrer besten Leute übernähmen? Es wäre das Chaos für sie, der Untergang. Sie handeln also völlig richtig, wenn sie uns kaltstellen. So muß man das sehen, wenn man gerecht sein will.«
»Und wie sollten es die Terraner sehen, wenn sie gerecht sind?« fragte Marays.
»Etwas anders, Marays. Aber auch nur etwas anders. Sie werden einsehen müssen, daß auch uns keine Schuld trifft. Wir haben mit dem Bau dieses Satelliten nichts zu tun. Nur ein Zufall verschlug uns hierher. Für unsere Fähigkeiten der Pedotransferierung können wir auch nichts. Somit sind wir unschuldig. Es kommt nur darauf an, ob uns die Terraner erlauben, dieses Sonnensystem in einem Schiff zu verlassen. Sie müssen uns vertrauen, und ich gebe zu, daß ihnen das schwerfallen muß. Aber ohne Vertrauen wird es keine andere Lösung als die Vernichtung geben.«
»Sie sollen uns also vertrauen?« erkundigte sich der skeptische Carscin. »Nun gut, können wir aber auch ihnen vertrauen?«
Lecufe sah an Carscin vorbei.
»Das ist die Frage, Carscin. Wenn sie zum Schein auf unser Ultimatum eingehen und uns eins ihrer Schiffe zur Verfügung stellen, in dem wir alle Platz finden, können sie uns mit Leichtigkeit vernichten, sobald wir den Schutz unseres Energieschirms verlassen haben. Auf der anderen Seite wissen die Terraner nicht, ob wir den Vorgang stoppen, der ihre Sonne zur Explosion bringt. Vertrauen gegen Vertrauen – ich gebe zu, ein völlig unkalkulierbarer Faktor in meinen Berechnungen. Aber wir müssen es schaffen, sonst sind wir verloren. Und nicht nur wir.«
»Und Sie glauben wirklich daran, Lecufe?«
»Ja, ich glaube daran. Die Terraner sind vernunftbegabte Wesen. Sie werden sich ausrechnen können, daß es keine andere Chance für sie gibt. Und auch nicht für uns. Sie werden uns glauben müssen, und wenn sie hinauf in den Himmel schauen, von ihrem Planeten aus, werden sie sehen, daß wir es ernst meinen.«
Einer der Techniker kehrte zurück und meldete, daß die Sonde entsprechend vorbereitet und fertig zum Start wäre. Es fehle nur noch das Nachrichtenmaterial im Lagerraum.
Lecufe erhob sich.
»Meine Freunde, begleiten Sie mich. Wir werden die Botschaft so gestalten, daß jeder Terraner sie ohne Schwierigkeiten verstehen kann. Es darf keine Mißverständnisse geben, darum bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Kommen Sie …«
Bald darauf war der Beobachtungsraum des Todessatelliten wieder leer und verlassen.
Auf den Bildschirmen flimmerten unscharfe Bilder von der glühenden Sonnenoberfläche, die sich bald wieder gefährlich verändern würde.
Das Ultimatum der Cappins erreichte die Terraner am 15. Oktober. Es lief am 16. Oktober ab.
Der Menschheit blieb nur ein Tag zur Entscheidung.
»Sollen wir den Flug nach Viti Levu verschieben?« fragte Galbraith Deighton, als Bully seinen kurzen Vortrag beendet hatte und das Ultimatum vorgelesen hatte. »Welchen Sinn hätte das?«
»Der Flug nimmt nur Minuten in Anspruch, wenn Sie das meinen, Galbraith. Aber ich muß mich davon überzeugen, daß dort alles in Ordnung ist. Wir kehren sofort zurück und überlegen, was zu tun ist. Die Cappins meinen es diesmal ernst, sehr ernst sogar. Wir werden uns entscheiden müssen, auch ohne Rhodan und Atlan. Die Verantwortung liegt in unseren Händen.«
»Wir haben zu wenig Zeit«, warf Julian Tifflor ein. »Und dann gibt es noch einen weiteren Punkt, den wir nicht außer acht lassen dürfen: Können wir den Cappins vertrauen? Wer sagt uns denn, daß sie sich nicht in aller Ruhe auf uns einpeilen, um uns zu übernehmen, während wir sie in die Freiheit entlassen? Achttausend übernommene Menschen – das wäre der Untergang.«
Bully nickte.
»Das wäre es, bestimmt. Aber es wäre auch unser Untergang, wenn die Sonne zur Nova würde.«
»Verdammte Erpresser!« fluchte Deighton.
»Auch das stimmt«, gab Bully zu und legte die flache Hand auf den Datenträger, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Aber wenn ich es objektiv sehe, bleibt ihnen keine andere Möglichkeit, wenn sie nicht weiter in dem Satelliten festgehalten werden wollen. So betrachtet, wird alles plötzlich sehr logisch und verständlich.« Er seufzte. »Nun, wir haben noch bis morgen Zeit, und ich würde vorschlagen, wir betrachten unseren Ausflug nach der Insel als kleine Erholungspause. Wir haben sie bitter nötig. Morgen entscheiden wir uns.«
»Wir fliegen heute nach Viti Levu?«
Bully sah auf die Uhr.
»Ja, in genau einer Stunde.
Weitere Kostenlose Bücher