Silberband 048 - Ovaron
Merceile aus der Schlucht gekommen.
»Es sieht so aus, als wollte sich diese Welt in einen paradiesischen Garten verwandeln«, sagte die Wissenschaftlerin und deutete auf einige Keimlinge zu ihren Füßen, die sich aus den neu entstandenen Rissen schoben.
Rhodan blickte die beiden Cappins nachdenklich an.
»Glauben Sie, daß wir aus dieser Veränderung Nutzen ziehen können?«
Ovaron fragte: »Wie meinen Sie das?«
»Ich frage mich, ob die Cappins, die in Havaler an dem Sonnensatelliten bauen, auf eine solche Entwicklung vorbereitet sind«, erwiderte Rhodan.
»Wahrscheinlich«, vermutete Ovaron. »Sie sind schließlich schon lange genug hier, um den eigenartigen Zyklus zu kennen, dem das Leben auf dieser Welt unterliegt.«
Rhodan blieb skeptisch.
»Zweihundert Jahre sind eine lange Zeit, Ovaron. Auch für einen Cappin. Sicher werden die Cappins in Havaler sich vorbereitet haben, aber an alle Einzelheiten haben sie bestimmt nicht gedacht.«
Tolot schob sich zwischen die beiden Cappins und Rhodan.
»Was soll das alles?« erkundigte er sich. »Ich sehe nicht ein, was ein paar Millionen Pflanzen den Cappins ausmachen können.«
Rhodan lächelte.
»Ich dachte nicht an Pflanzen«, sagte er.
»Sondern?« Prest kannte die Antwort schon, bevor er die Frage gestellt hatte. Ein Schauer lief über seinen Rücken.
»An Tiere!« erwiderte Rhodan. »Vielleicht tauchen jetzt bald Tiere auf. Wenn das auf ähnliche Weise wie bei den Pflanzen geschieht, können sich die Cappins auf Havaler auf einiges gefaßt machen.«
Prest kratzte sich am Hinterkopf.
»Die Sache hat einen Nachteil, Sir. Wir werden von einem solchen Naturereignis ebenso betroffen sein wie die Cappins.«
Nachdem sie auf die von Ovaron vorgeschlagene Weise abermals auf Schweipon gelandet waren, hatten sich die Mitglieder der Expedition mit dem Shift in eine unwegsame Schlucht zurückgezogen, die nur dreihundert Kilometer von Havaler entfernt war. Rhodan hatte gezögert, sich so nahe bei einem cappinschen Stützpunkt zu verstecken. Die Möglichkeit einer blitzschnellen Operation in Havaler hatte ihn dann aber bewogen, die Schlucht als Schlupfwinkel zu akzeptieren.
Als Rhodan mit den anderen vom Hochplateau in die Schlucht zurückkehrte, hatte sich auch hier die Umgebung verändert. Überall waren Pflanzen aus dem Boden geschossen, die sich in kurzer Zeit zu fußhohen Schößlingen entwickelt hatten.
Fellmer Lloyd hatte ein paar von ihnen ausgerissen und kam Rhodan damit entgegen.
»Sehen Sie sich das an!« Er wedelte mit dem kleinen Strauß. »Ein paar davon habe ich sogar zwischen den Felsen gepflückt.«
Rhodan nahm die Pflanzen entgegen, untersuchte sie kurz und gab sie dann an Merceile weiter.
»Sie sollten die Ebene sehen«, sagte Rhodan zu dem Telepathen. »Sie hat sich in einen Garten Eden verwandelt.«
»Ist das nicht phantastisch?« fragte Ras Tschubai. »Die Natur auf dieser Welt ist schlagartig erwacht. Von einer Minute zur anderen beginnen die Pflanzen zu wachsen.«
Merceile hatte ein paar Pflanzen zerlegt und hielt Rhodan die Überreste entgegen.
»Daraus hätten sich später einmal Blumen mit sehr großen Blüten entwickelt«, behauptete sie. »Es tut mir leid, daß Ihr Freund sie ausgerissen hat. Wenn Leben es so schwer hat auf dieser Welt, sollte man es schonen.«
Rhodan meinte zurückhaltend:
»Je schwerer Leben kämpfen muß, desto widerstandsfähiger ist es. Ich würde mir keine Gedanken wegen einiger Blumen machen.«
Sie blickte ihn an. Auf ihrer Stirn war eine Falte des Unwillens entstanden. Da trat Ovaron hinter sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. Es war eine besitzergreifende Geste.
»Schon gut, Merceile«, sagte der Cappin ruhig.
Merceile schüttelte die Hand ab und machte einen Schritt auf Rhodan zu.
Ihre Augen blitzten.
Wie schön sie ist, dachte Rhodan unwillkürlich.
Merceile streckte ihm die Hand mit den Überresten der Blumen entgegen.
»Ein paar Blumen sind nichts, was?« Sie warf ihm die Pflanzen vor die Füße. »Die Terraner sind viel zu hart, um sich wegen dieser Blumen Gedanken zu machen. Sie sind hier, um den Sonnensatelliten auszuschalten. Alles andere interessiert sie nicht.«
Rhodan schüttelte bedauernd den Kopf und ging zurück zum Shift, der am Ende der Schlucht stand.
Oberst Joak Cascal saß im Kommandosessel und blätterte in einem Buch, das technische Angaben über den flugfähigen Panzer enthielt.
Als er Rhodan hereinkommen hörte, blickte er auf.
»Hallo, Chef!« rief er.
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