Silberband 050 - Gruelfin
Unterbewußtseins ablaufen zu lassen.
Er spürte, wie ›er‹ in bodenloses Dunkel tauchte und wieder emporstieg, als der Selbsterhaltungstrieb einsetzte und sich der vermeintlich lebensbedrohlichen Entwicklung entgegenstemmte.
Wieder und wieder tauchte Patulli ins Namenlose; wieder und wieder stieß er auf die vom Selbsterhaltungstrieb aufgerichtete Mauer. Sein Körper auf der Liege bedeckte sich mit Schweiß, die Glieder zuckten konvulsivisch, Speichel rann aus den Winkeln des halbgeöffneten Mundes.
Es war ein grauenhafter Kampf und ein ungleicher dazu, denn da Patulli Lokoshan seine willkürlichen Handlungen stark reduzierte, vermochte er gegen die unwillkürlichen Reaktionen des Selbsterhaltungstriebes so gut wie nichts einzusetzen. Immer wieder wurde er zurückgeschlagen.
Da stieß plötzlich ein mächtiger parapsychischer Impuls zu ihm.
Gucky!
Der Mausbiber hatte Lokoshans verzweifelten Kampf telepathisch verfolgt und nach reiflichem Erwägen eingegriffen. Er gab – um es bildhaft auszudrücken, denn Vorgänge jenseits unserer sachbezogenen Begriffswelt können nur so beschrieben werden – dem abwärts schwimmenden Bewußtseinsrest Major Lokoshans einen Stoß. Die imaginäre Mauer wurde durchbrochen. Patulli bäumte sich im Todeskampf auf und fiel erschlafft zurück.
Im nächsten Augenblick aber krümmte er sich unter qualvollen Schmerzen. Er hatte das Gefühl, bei lebendigem Leibe zerfleischt zu werden und zugleich in kochendem Wasser zu stehen.
Die beiden Chefärzte der Bordklinik, Rhodan, Atlan und Ovaron stürmten in den Raum, versuchten, den Kamashiten auf die Liege zu drücken und zu erfahren, was geschehen sei.
Aber die Schmerzen waren zu groß. Erst nach einigen Minuten vermochte Lokoshan den Ärzten zuzuschreien, sie sollten Scholschowo schmerzstillende Injektionen geben.
Die Ärzte weigerten sich, doch Atlan erriet, worum es dem Psychokopisten ging.
»Er erlebt die Schmerzen, die Scholschowos Unterbewußtsein registriert, bewußt mit«, erklärte er. »Bitte, geben Sie Scholschowo die Injektionen. Lokoshan stirbt uns sonst noch.«
Die Mediziner stellten ihre Bedenken zurück. Wenige Minuten nach den Injektionen beruhigte Patulli Lokoshan sich wieder. Aber er war zu erschöpft, um sofort sprechen zu können. Mühsam versuchte er, die Lider zu heben, aber es gelang nicht. Sein Mund lallte unverständliche Laute.
»Beruhigen Sie sich«, sagte Ovaron leise. »Lassen Sie sich Zeit, Major.«
Atlan verschränkte die Arme vor der Brust und blickte den Kamashiten nachdenklich an. Seine Augen tränten, bei jedem Arkoniden das äußere Anzeichen starker Erregung.
»Sprechen Sie Ihre Sprache mit ihm, Ovaron«, sagte er plötzlich bedeutsam. Der Cappin blickte den Arkoniden verwundert an, dann schluckte er nervös.
»Sie meinen, Scholschowo hätte den Major übernommen …?«
»So ungefähr. Wenngleich ›übernommen‹ kaum das treffende Wort sein dürfte. Eher hat wohl der Major Scholschowos Unterbewußtsein dem eigenen Unterbewußtsein überlagert, vereinfachend ausgedrückt.«
»Er hat recht, Ovaron«, lispelte Gucky. Der Mausbiber war unverhofft materialisiert. »Schließlich habe ich ihm dabei geholfen.«
»Du hast ihm geholfen?« fragte Rhodan verblüfft.
Gucky reckte sich und wölbte die Brust vor.
»Nichts wird lucky ohne Gucky, mein lieber Großadministrator. Ich bin der Größte, das vergißt du manchmal.«
Perry lächelte.
»Das zu vergessen wäre ganz unmöglich, Kleiner. Du sorgst schon für deine Publicity und bist dabei durchaus nicht wählerisch in deinen Methoden.«
»Ich mache eben gern Spaß«, murmelte der Ilt mit gesenktem Blick.
Ovaron lachte trocken, dann wandte er sich wieder dem Moritator zu.
»Wie geht es Ihnen, Scholschowo?« fragte er, diesmal in der Sprache der Cappin-Völker.
Lokoshan öffnete die Augen. Dann setzte er sich langsam und wie in Trance auf, schwang die Beine von der Liege und erhob sich.
Er stand Auge in Auge mit Ovaron – und plötzlich sank er auf die Knie, legte die rechte Hand auf die linke Schulter, blickte strahlend zu dem Cappin auf und flüsterte:
»Sei gegrüßt, Gebieter! Wir sind gerettet!«
Seine Stimme sank zu einem undeutlichen Murmeln herab, während der Blick sich trübte und die Lider zu flattern begannen.
Ovaron umfaßte Lokoshans Schultern, hob den Mann auf und setzte ihn auf der Liege ab.
Lokoshans Aussehen veränderte sich.
»Wir haben es gewußt: Ganjo wird kommen …!« sagte er.
Die Stimme erstarb.
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