Silberband 052 - Exil im Hyperraum
sich und fragte: »Wie ich sehe, bist du ein Uarter. Was denken die Brüder und Schwestern auf deiner Welt über die bevorstehende Ankunft des Ganjos?«
Avimol sah Askosan aufmerksam an. Die Frage des Andern erschien ihm eigenartig. Allein schon, daß jemand eine solche Frage stellte, zeugte von unzulässigen Zweifeln – und wie er sie stellte …!
»Meine Heimat ist Uarte«, antwortete er. »Der Ganjo wird kommen, wenn die Zeit reif ist. Was also bezweckst du mit deiner Frage, Bruder Askosan?«
Askosan lächelte ihn an. »Du hast, ohne es zu wissen, meine Frage schon beantwortet, Bruder Avimol, denn was soll der ganze kultische Aufwand, wenn der Ganjo ohnehin zu seiner vorbestimmten Zeit kommen wird?«
Avimols Haltung versteifte sich.
»Sie sind kein Pilger«, sagte er unfreundlich. »So wie Sie kann nur ein Perdaschist reden.«
»Ganz recht, Avimol, ich bin kein ›Bruder Pilger‹, sondern ein Gegner der Pedolotsen.«
Avimols Gedanken jagten sich. Er sah sich plötzlich in eine Situation gestellt, in der ihm alle seine Erfahrungen nichts halfen.
Er wußte, die Perdaschisten waren die Mitglieder einer Widerstandsbewegung, die sich gegen die Macht der Pedolotsen und den Einfluß der Ganjoprester richtete. Diese Bewegung existierte seit Jahrtausenden. Aber auf Uarte hatte man noch keine Aktivität der Perdaschisten bemerkt, und mit Sicherheit gab es dort keine Anhänger dieser Bewegung.
Deshalb zögerte Avimol, einen Cappin, der zwar im gegnerischen Lager stand, ihm jedoch nicht gefährlich werden konnte, anzugreifen.
Schließlich brach Askosan das ungemütliche Schweigen.
»Ich wußte, daß ein Uarter nicht so leicht in Panik gerät, deshalb wandte ich mich an Sie, Avimol. Ihr Schweigen beweist mir allerdings, daß Sie keine rechte Vorstellung von den Zielen des Perdaschismus haben.«
»Er ist eine Sekte von Zweiflern«, gab Avimol zurück, aber im gleichen Augenblick stufte sein wissenschaftlich geschulter Geist seine Erwiderung als oberflächlich ein.
»Wir zweifeln nicht alles an, Avimol«, sagte der Perdaschist ruhig. »Wir glauben beispielsweise ebenfalls an die Heimkehr des Ganjos und haben uns die Mühe gemacht, den ungefähren Zeitpunkt seiner Ankunft auf dem ARRIVANUM durch eine Wahrscheinlichkeitsrechnung zu ermitteln.«
Avimol erwiderte nichts darauf. Dennoch war er jetzt stärker daran interessiert, dem anderen zuzuhören, als das noch vor kurzem der Fall gewesen war.
»Der Ganjo …«, erklärte Askosan, »… hätte vor frühestens zehn ARRIVANUM-Jahren ankommen müssen, denn wir errechneten eine Toleranzspanne von plus minus fünf Jahren, und die Plusspanne läuft übermorgen ab.«
Avimols Zurückhaltung wandelte sich nun in offene Interessiertheit. Zugleich entspannte sich sein Körper.
»Übermorgen …?« fragte er atemlos. »Dann kann der Ganjo jeden Augenblick auf dem ARRIVANUM ankommen! Aber, wenn Sie das ausgerechnet haben, warum sind Sie dann gegen uns Ganjoprester?«
Askosan lächelte entspannt. Seine Rechte, die in einer Tasche des Umhangs bislang eine kleine Lähmwaffe gehalten hatte, öffnete sich.
»Wir Perdaschisten sind nicht gegen die Ganjoprester, sondern nur dagegen, daß ihr Einfluß auf die Politik der offiziellen Regierung überwiegt, und das vor allem deswegen, weil wir wissen, daß die Pedolotsen, die dem Kultverband vorstehen, ihre Macht zu ihrem persönlichen Vorteil mißbrauchen.«
Avimol schloß die Augen, um den ungeheuerlichen Vorwurf zu überdenken, den der Perdaschist da eben gegen die Führungsspitze des Kults erhoben hatte, dem er, Avimol, selbst angehörte.
Als Avimol trotz allen Nachdenkens keine Argumente fand, die schwer genug gewogen hätten, den Vorwurf Askosans völlig zu entkräften, wurde der Uarter unsicher.
Ihm fiel wieder ein, wie bedrückend und irritierend für ihn immer die mit Pathos und Schlagworten angefüllten Zeremonien seines Kultes gewesen waren. Bisher hatte er das für ein notwendiges Übel gehalten, dazu gedacht, Ganjasen niedriger Bildungsstufe mit gläubiger Hoffnung zu erfüllen und ihnen jenen Willen zum Ausharren zu vermitteln, der bei ihnen mit rationalen Argumenten nicht zu erzielen gewesen wäre.
Doch nun wurde ihm klar, daß man die kultischen Zeremonien auch anders auslegen konnte – als nivellierende Beeinflussung nämlich, die den Zweck hatte, die Masse der Ganjoprester zu Hörigen des Kultes zu machen.
»Macht ist immer der Gefahr des Mißbrauchs ausgesetzt«, argumentierte er schließlich. »Doch
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