Silberband 052 - Exil im Hyperraum
Großen Platz. Wenn sich der Ganjo zeigte, so glaubte er, dann würde das unter dem OVERESCH geschehen. Aus den Toren der Tempel kamen inzwischen die ersten Pilger. Manche schleppten noch ihre Schlafdecken mit, andere trugen die verschiedenartigsten Nachtgewänder. Ein dicker Mann tappte auf nackten Sohlen ins Freie und schrie auf, als ihm jemand auf den Fuß trat.
Der Uarter beachtete die anderen Pilger kaum. Ab und zu sah er nach oben. Die Feuerinseln verschmolzen allmählich ineinander. Ihr Licht schuf eine grelle zuckende Helligkeit in den Straßen und Gassen von Pedoar.
Als Avimol den Großen Platz erreichte, hatte sich ein lückenloser Energieschirm über dem Planeten geschlossen. Sein grünes Licht flackerte nicht mehr, aber es verstrahlte ein betörendes Feuer wie ein meisterhaft geschliffener Edelstein.
Um den Fuß des OVERESCH hatte ein tiefgestaffelter Ring von Ersten, Zweiten und Dritten Dienern Aufstellung genommen. Die Megaphrans, Buhumbos und Tschreets vollführten einen ohrenbetäubenden Lärm. In ihn mischten sich das an- und abschwellende Murmeln und der Singsang der rituellen Beschwörungsformeln.
Die euphorische Freude schwand.
Der Uarter spürte einen bitteren Geschmack im Mund, als er daran dachte, daß die Musikinstrumente und die Beschwörungsformeln nur den Zweck erfüllten, an den Instinkt der Massen zu rühren, ihnen zu suggerieren, daß die endliche Heimkehr des ersehnten Befreiers das Werk der Pedolotsen sei.
»Verbrecher!« rief er wütend.
Der Pilger neben ihm, ein dürrer Mann mit hellblauer Haut und langem schwarzem Haar, wandte sich ihm zu.
»Was sagtest du, Bruder Pilger?« fragte er.
Avimol konnte nicht mehr an sich halten. Er deutete auf die Diener und sagte: »Das da sind Verbrecher. Sie wollen den ganzen Rummel nur dazu benutzen, um die Macht der Pedolotsen zu stärken. In Wirklichkeit würden sie den Ganjo lieber tot als lebendig sehen.«
Der andere Pilger sah ihn fassungslos an, dann wich er zurück, wandte sich plötzlich um und schrie mit überschnappender Stimme: »Er hat den Ganjo gelästert! Ein Perdaschist!« Heulend vor Wut zog er einen Dolch und stürzte sich auf den Uarter.
Avimol parierte den Stoß mit dem linken Unterarm, ging in den Gegner hinein und stieß ihm die Handspitze in den Kehlkopf. Er spürte etwas bersten, und der Mann sackte mit einem pfeifenden Geräusch zusammen.
Das alles hatte höchstens eine Sekunde gedauert. Aber die Schreie des Pilgers waren nicht ungehört verhallt. Etwa zwanzig andere Pilger kamen zögernd näher. Einige wiederholten den ersten Schrei des Mannes, der reglos zu Avimols Füßen lag.
»Er hat den Ganjo gelästert!«
Der Schrei pflanzte sich schnell in der Menge fort, wurde sogar von Pilgern wiederholt, die überhaupt nicht ahnen konnten, worum es ging.
Der Uarter entblößte die Zähne in einem wölfischen Grinsen. Er fühlte sich in die Enge getrieben, hatte aber nicht die Absicht, aufzugeben.
Avimol wandte sich um und rannte davon. Anfangs stellten sich ihm hier und da einige Pilger entgegen. Er wich ihnen aus, wenn es ging, und schuf sich mit tödlichen Stößen seines Vibrationsmessers Bahn, wo es notwendig war.
Nach einer Weile geriet er in die Masse der Pilger, die noch nicht wußten, was überhaupt geschehen war. Er wurde langsamer, wich nach links aus und rief: »Dort läuft er! Haltet ihn auf!«
Dabei zeigte er mit ausgestrecktem Arm auf eine beliebige Gruppe von Pilgern. Irritiert liefen sie in der angegebenen Richtung los, und bald wußte niemand mehr, wer denn nun eigentlich Jäger und wer Gejagter war. Avimol tat so, als ginge ihm die Luft aus. Er blieb stehen und atmete keuchend. Die wilde Jagd ging an ihm vorüber, und was zurückblieb, waren ratlose, bestürzte Pilger.
So unauffällig wie möglich verließ Avimol den Großen Platz. Er lehnte sich in eine der zahlreichen Nischen des nächsten Tempels und überlegte.
Es war dumm von ihm gewesen, sich so hinreißen zu lassen, und es war falsch gewesen, sich auf einen Kampf einzulassen. Beides verstieß gegen die Regeln, die die Perdaschisten sich selbst gegeben hatten: unauffällig und gewaltlos arbeiten.
Doch Geschehenes ließ sich nicht rückgängig machen. Außerdem war er ja noch einmal davongekommen. Er glaubte nicht, daß sich jemand sein Gesicht eingeprägt hatte, so daß er ihn wiedererkennen konnte.
Avimol wurde blaß.
Sein Gesicht nicht, wohl aber seine Frisur. Nur Uarter trugen kurzgeschorenes Haar und, soviel er wußte, befanden
Weitere Kostenlose Bücher