Silberband 055 - Der Schwarm
Interkom sprach an: »Eintritt in den Linearraum in drei Minuten!«
Rhodan und Atlan setzten sich in die freien Sessel.
Alles verlief programmgemäß. Die GOOD HOPE verließ den Einsteinraum und verblieb für einige Zeit im neutralen Linearraum, um dann in das normale dreidimensionale Universum zurückzutauchen. In dieser Zeit legte sie zehn Lichtjahre zurück.
Auf dem riesigen Panoramaschirm erschien ein Bild.
Es entstand langsam, fast zögernd, aber dann wurde es klar und deutlich. Genau in Flugrichtung, nur knapp zwei oder drei Lichtstunden entfernt, leuchtete Rubin Omega in trübem Rot. Zwei kleine, hell leuchtende Begleiter befanden sich auf entgegensetzten Umlaufbahnpositionen – Hidden World I und II.
Der Schwarm war von hinten als leuchtende Wolke zu erkennen.
Alle Berechnungen stimmten. Der Schwarm entfernte sich. Er schien von dem tangierten Sonnensystem keine Notiz genommen zu haben.
»Merkwürdig«, sagte Atlan, als die GOOD HOPE ihren Flug mit knapper Lichtgeschwindigkeit fortsetzte, »es sieht wirklich ganz so aus, als flögen sie einfach in unsere Milchstraße hinein, ohne bestimmte Absicht, ohne einen Plan. Nur so. Verstehst du das?«
»Ich verstehe es nicht, also glaube ich es auch nicht. Es muß eine Absicht dahinterstecken! Wir werden sie herausfinden!«
Die ersten Meldungen aus der Orterzentrale und der Funkzentrale trafen ein. Sie besagten eindeutig, daß sich in der Nähe des Systems Rubin Omega keine Fremdkörper aufhielten und kein Funkverkehr stattfand. Auch von dem Planeten I selbst wurden keine Funksignale ausgestrahlt.
Zumindest das war ein Anhaltspunkt, denn schließlich befand sich auf dem Planeten eine Station der USO, die dazu verpflichtet war, in regelmäßigen Abständen Routinesignale abzustrahlen.
Diese Signale blieben aus.
Das konnte nur bedeuten, daß die Besatzung der Station, also auch die dort vermuteten Immunen, nicht mehr in der Lage war, die Funkgeräte zu bedienen, oder daß die ganze Station vernichtet worden war – wie auch immer.
»Wir werden eine tote, verwüstete Welt vorfinden«, prophezeite Rhodan pessimistisch und befahl den Einflug in das System.
»Wäre es nicht klüger, ein Vorkommando zu schicken?« fragte Atlan. »Einen Jäger?«
»Nein, diesmal nicht, Atlan. Wir bleiben zusammen, wir sind nur noch sechzig Menschen. Jede Trennung bedeutet erhöhte Gefahr. Wir werden mit der GOOD HOPE landen. Natürlich unter Beachtung der Vorsichtsmaßnahmen, wie sie für Explorerschiffe üblich sind.«
»Vielleicht genügt das«, meinte Atlan skeptisch. »Jedenfalls bin ich dafür, daß wir Hidden World mindestens zehnmal umrunden, ehe wir eine Landung einleiten.«
»Einverstanden«, sagte Rhodan.
Zehntausend Bewohner für einen Planeten waren mehr als nur wenig. Die Zahl erschien fast unwahrscheinlich gering. Aber die Speicherpositronik gab keinen anderen Wert an.
Zehntausend Bewohner, und alle auf einem Punkt konzentriert. Die übrige Fläche des Planeten, mehr als neunundneunzig Prozent, galt als Ödland.
Dort gab es nur Pflanzen und Käfer.
Die Käfer waren die eigentlichen Beherrscher von Hidden World I, nachdem die Termiten ausgestorben waren. Die Termiten hatten die Vegetation fast vernichtet und sich damit ihrer Hauptnahrung beraubt. Sie verhungerten und starben aus.
Die Käfer überlebten, weil sie zum Kannibalismus übergingen. Die Größeren fraßen die Kleineren, und lediglich die Allerkleinsten blieben Vegetarier. Für sie reichte der spärliche Pflanzenwuchs, der genug damit zu tun hatte, sich dem rauhen Klima und den ewigen Stürmen anzupassen. Kein Wunder also, daß die merkwürdigsten Lebensformen entstanden.
Da gab es, um nur zwei zu nennen, die Windmühlschaufler und die Nachtgräber.
Ein Windmühlschaufler nutzte den stetig wehenden Wind für seine eigenen Zwecke aus. Da er bewegliche Wurzeln besaß, mit denen er seinen Standort wechseln konnte, war er nicht an einen bestimmten Platz gebunden. Statt aber nun von sich aus die Wurzeln zu bewegen und so seine langsame Wanderung anzutreten, hatte die Natur ihm geholfen, die dicken, fleischigen Blätter so zu formen, daß sie breiten Flügeln glichen. Diese wiederum waren derart am Stengel befestigt, daß sie sich gleichmäßig drehen und durch ihn hindurch die Wurzeln über ein kompliziertes Übersetzungssystem hinweg bewegen konnten. Die Folge war, daß die Pflanzen sich mit dem Wind von der Stelle fortbewegen konnten. Je stärker der Wind, um so höher ihre
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