Silberband 056 - Kampf der Immunen
ihn zu, er sah ihre Dicke und die Erhöhung darauf, die wie ein niedriger Zylinder aussah.
Vom Innern des Würfels, der in ein Gitter aus einzelnen Fächern eingeteilt war, führte eine Rampe auf die Oberfläche des Zylinders hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Die stählernen, schrägen Platten deuteten genau auf den Mann, der regungslos dastand und staunte.
Das hatte er noch niemals gesehen.
Er begann sich zu fürchten. Dunkel, stählern und drohend. Diese Eindrücke machten ihm angst. Sein Verstand, der derjenige eines Kindes war, konnte den Gegenstand nicht identifizieren, aber eine Ahnung sagte ihm, daß er sterben konnte, wenn er nicht flüchtete und sich verkroch. Der Cavan weidete noch immer, jetzt hob er den schmalen Kopf und sah in die Richtung des fremden, riesigen Würfels.
Das Tier erschrak, warf den Kopf hoch und stieg mit den Vorderfüßen in die Höhe.
Der Mann bewegte sich plötzlich ziemlich schnell, griff in die Zügel und riß den Kopf des Tieres wieder herunter. Dann schwang er sich mit einer Bewegung, die auf lange Übung schließen ließ, in den leichten Sattel mit der hochgewölbten Rückenstütze.
Der Mann zitterte und stand der Situation völlig hilflos gegenüber.
Der Cavan fühlte, daß sein Reiter von Erregung ergriffen war. Das Tier tänzelte nervös auf der Stelle, keilte schnaubend aus und peitschte mit seinem langen Schwanz.
»Asser-Bet hat Angst!« sagte der Mann laut. Seine Stimme war flach und wenig ausdrucksvoll.
Asser-Bet war ein etwa fünfundvierzigjähriger Mann, der die Merkmale von einigen Völkern in sich vereinigte. Er hatte die hellbraune Haut der Akonen, das sichelförmig geschnittene Haar der Ertruser und das feine, weiße Haar der Arkoniden. Sein Gesicht war durchaus terranisch geschnitten.
Er trug zerfetzte Beinkleider. Sie ließen erkennen, daß er seit langer Zeit keine Gelegenheit mehr gehabt hatte, neue Hosen zu tauschen oder zu kaufen. Die Stiefel, denen man ansah, daß sie einst teuerste Arbeit und wertvollste Handwerkerware gewesen waren, schienen nur noch aus aufgeplatzten Nähten und Lederstücken mit herunterhängenden Schnallen zu bestehen. Die Jacke war ebenfalls schmutzig, zerrissen und voller Falten.
Ein großer, dunkelblauer Vogel flog kreischend auf den Mann und das Tier zu, er kam aus der Richtung dieses Würfels.
»Es hat gedonnert und geheult«, flüsterte der Mann. »Und dann war dieser Berg aus Schwarz da. Ganz plötzlich.«
Ihm dämmerte etwas, von dieser Gefahr mußte sein Herr erfahren.
Warum konnte er nicht schnell und entschlossen handeln, so wie damals, als er noch ein stolzer Dorfvorsteher war?
Die Zeiten, die Umgebung … alles hatte sich geändert. Er war verzweifelt.
»Was soll ich machen?« fragte er sich laut.
Er erinnerte sich, vor Tagen – wann war das wirklich gewesen? – mit seinem jungen Herrn gesprochen zu haben, der für alles, was er gefragt wurde, eine Erklärung hatte. Ihm, Asser-Bet, fehlte jeder Zeitbegriff.
Er wendete den Cavan, setzte die Sporen ein und galoppierte davon.
»Nach Westen … dorthin, wo die Sonne untergeht.«
Der Cavan hob den Kopf, und als Asser die Sporen gebrauchte, machte das Tier einen riesigen Satz, sprang aus dem Unterholz hinaus und raste davon. Diese schnellfüßigen, ausdauernden Tiere waren einst hier eingeführt worden, niemand wußte so recht, wann dies geschehen war und wer die Cavans eingeführt hatte.
Selbst die Reittiere waren nur noch zum Teil zum Reiten zu verwenden.
Ihre Intelligenz, ihre hohe Fähigkeit, sich mit Schenkelhilfen und Zügel den Wünschen des Reiters anzupassen, war verlorengegangen – damals, an dem Tag, an dem Asser aufgewacht war und die Gegenstände seiner Umgebung mit leeren, nichtbegreifenden Augen angesehen hatte.
Dieses Tier hier war eines der intelligentesten, der teuersten gewesen.
Es gelang Asser, es weiter als Reittier zu verwenden, wenn er auch wußte, daß es nicht mehr viel taugte. Er würde es bald vor einen Karren spannen. Vor einigen Tagen, als er mit der schweren Armbrust einen Hirsch schießen wollte, hatte der Cavan derart gescheut, daß der Hirsch geflohen war.
Ohne zu wissen, wer oder was ihm begegnet war, floh Asser-Bet nach Westen. Er mußte rund einhundert Kilometer reiten, um seinen Herrn zu treffen.
Das Morgenlicht kletterte an den Bäumen des jenseitigen Ufers hoch.
Dicker, grauer Nebel haftete an den braunen Stämmen mit den breiten Wedeln der Farne. Große, weiße Vögel strichen in rasendem
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