Silberband 057 - Das heimliche Imperium
Aber vorher …? Irgendwann und irgendwo einmal mußte es die erste Spore gegeben haben!
Wenig später bereits – von seinem zeitlichen Standpunkt aus gesehen – waren die Meere belebt. Krebse, Muscheltiere, Fische, die ersten Lurche, die auch auf dem Land zu leben versuchten. Dann immer mehr Tiere, die das Land eroberten, bis auch dort der Kampf ums Dasein begann und die stärkere Art überleben ließ.
Inzwischen veränderte sich die Zusammensetzung der Atmosphäre, denn weite Ebenen waren nun mit dichter, dschungelartiger Vegetation bedeckt. Die Fotosynthese erzeugte Sauerstoff, denn der Energieträger Chlorophyll war vorhanden. Das Leben stellte sich um, es paßte sich den neuen Verhältnissen an. Damit bildeten sich alle Voraussetzungen zur Entwicklung der Intelligenz …
Er selbst blieb von alledem unberührt. Obwohl er vermeinte, körperlich in dieser Welt zu existieren, obwohl er Hitze und Kälte und auch den festen Boden spürte, bemerkte ihn niemand. Er war für alles Leben unsichtbar, nicht vorhanden. Die Zeit raste an ihm vorüber, der Zukunft entgegen – und sie riß ihn mit.
Freund! rief er die Stimme. Was zeigst du mir? Warum zeigst du es mir? Ich war gekommen, um deine Hilfe für uns zu erbitten, und dann benötigst du selbst Hilfe. Und nun das …!
Über Jahrmillionen hinweg erhielt er die Antwort:
Zeit, kleiner Freund, kann auch nur eine Illusion sein, aber wir glauben an sie, darum altern wir. Ist also auch das Altern nur eine Illusion? Natürlich nicht, wenigstens nicht für den Sterblichen. Ich will damit sagen: Jede Krankheit wird durch Illusion und Suggestion real – und der Tod ist auch nur eine Krankheit, mehr nicht. Dieser Planet ist wie alle Welten krank. Kaum geboren, verurteilt sich das Leben auf ihm selbst zum Tode – das ist es, was ich dir zeigen will.
Einspruch: Aber die Gefahr, die unsere Galaxis bedroht, der Schwarm, er ist keine Illusion, er ist real! Wir verlieren nur Zeit …
Antwort: Wir können niemals die Zeit verlieren, weil es sie in diesem Sinne nicht gibt. Wir können sie einholen oder ihr entgegeneilen – wie wir es wünschen. Wir steigen in sie ein, wann immer wir wollen. Wenn du zu deinen Freunden zurückkehrst, wird nichts versäumt sein. Nichts!
Die Stimme verklang.
Er war wieder einsam, mitten unter dem sich entwickelnden Leben der nun nicht mehr leeren und toten Welt. Die Sonne war gelb geworden. Dörfer und Städte entstanden, und die beherrschende Intelligenz entdeckte die Technik. Bald stiegen ihre ersten Raumschiffe in den blauen Himmel und erreichten die anderen Planeten des Systems. Und als sie Besuch aus dem Kosmos erhielten, waren sie noch nicht reif für den ersten Kontakt. Der Krieg löschte sie aus.
Die Welt war wieder leer und tot, und sie war für lange Zeit nicht bewohnbar.
Die Sonne färbte sich rötlich, als der ewige Kreislauf erneut begann. Aber als eine neue intelligente Art die Welt bevölkerte, war es eine sterbende Welt. Die Strahlen der altersschwachen Sonne genügten nicht mehr, das Leben zu erhalten. Noch ehe die Flucht in den Raum gelang, wurde die fast erkaltete Sonne zu einer aufflammenden Nova, die alle Planeten bis zum sechsten verschlang.
Dann erlosch die Sonne, als sei sie gesättigt.
Er aber, Zeuge des Geschehens, schwebte wieder körperlos im Raum zwischen den anderen Sternen, die einem ähnlichen Schicksal entgegenloderten.
Etwas drängte sich in sein Bewußtsein.
Zuerst wollte er sich instinktiv dagegen wehren, aber dann ahnte er, daß es die Stimme war, die wieder Kontakt mit ihm aufnehmen wollte.
Er gab den Widerstand auf und empfing bereitwillig die Gedankenimpulse.
Du hast Geburt, Leben und Tod eines Sterns erlebt, mein Freund. Real erlebt! Es gab diese Welt wirklich – es gibt sie noch! Sie ist voller Hoffnung, und bald wird die erste Rakete in den Himmel steigen. Was dann geschieht, ist unvermeidbar. Es ist bereits geschehen – in der Zukunft. Niemand kann es ändern.
So ist unser Schicksal vorausbestimmt? Macht das nicht alles Tun und Streben sinnlos? Warum bitte ich dich um Hilfe, wenn bereits das, was ich vermeiden will – der Untergang – geschehen ist?
Er ist in einer der möglichen Daseinsebenen geschehen, mein Freund, aber nicht in allen anderen möglichen. Jedes Eingreifen verändert die bestehenden Möglichkeiten, auch wenn sie schon eingetreten sind. Darum – und das vergiß niemals! – ist jedes Streben sinnvoll!
Frage: Wie kann ich dir helfen?
Antwort: Nicht durch
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