Silberband 057 - Das heimliche Imperium
Gelegenheit dazu haben, wirst du uns das näher erklären«, forderte Kasom kurz angebunden und gab schnell eine Verbeugung zurück, die einer der Diener vor ihm machte. »Ich habe keine Lust, in einem Kreuzworträtsel herumzulaufen.«
»Dort drüben«, sagte Ras plötzlich, »entsteht eine Öffnung.«
Sie sahen alle in die bezeichnete Richtung. In der gelben Wand fand eine auffällige Verfärbung statt, die sich erst bei genauem Hinsehen als Öffnung herausstellte, denn auch der Hintergrund war ockergelb. Lediglich schien der Raum dahinter heller angestrahlt zu werden.
Eine Tür …?
Ehe sie Vermutungen anstellen konnten, was die Tür zu bedeuten hatte, erschien in ihr eine hochgewachsene menschliche Gestalt. Das Gesicht wirkte feingeschnitten und energisch. Die mandelförmigen Augen verrieten Autorität und einen festen Willen, aber auch Sensibilität oder sogar Schwäche – ein Widerspruch, der unerklärlich blieb. Der Mann, der gemessenen Schrittes auf sie zukam, trug ein lose herabwallendes Gewand aus dickem, ockergelbem Stoff.
Die Diener verbeugten sich und verschwanden eilig.
Der Gelbe sah die vier Gefährten lange an, dann begann er zu sprechen. Seine Worte ergaben keinen Sinn, aber trotzdem verstanden sie ihn auch ohne Translator, denn seine Gedankenimpulse fanden ohne Schwierigkeiten ihren Weg in ihre Bewußtseine.
»Seid willkommen im Kristall der gefangenen Seelen, Freunde. Bald kommt die Zeit, in der wir unsere Kräfte messen werden, und ich hoffe, ihr erweist euch als mutig und stark. Denn nur wer überlebt, kann den Herren dienen. Nur wer stark ist, nützt der Gemeinschaft.«
»Welcher Gemeinschaft?« fragte Gucky, ohne auf die Worte des Gelben einzugehen. »Wer ist die Gemeinschaft?«
Der Mann im gelben Gewand lächelte fast unmerklich.
»Ihr werdet es noch merken. Jedenfalls müssen eure Geisteskräfte übernormal und parapsychisch geschult sein, sonst könntet ihr nicht hier sein. Außer unseren Dienern wird der Kristall nur von Mutanten bewohnt. Wir sind Gefangene und doch frei. Unser Geist nur dient, so wie die anderen mit ihrem Körper und ihren Kräften dienen. Noch einmal: Seid willkommen, Freunde, und folgt mir nun, bitte. Ich werde euch zeigen, wo ihr wohnen könnt.«
Gucky fing einen warnenden Gedanken Kasoms auf und verzichtete auf weitere Fragen. Zusammen mit den anderen folgte er dem gelben Gewand, das – seinen Träger völlig verdeckend – vor ihnen herschwebte.
Harno teilte ihnen später mit, daß sie nun etwa vierundzwanzig Stunden Ruhe hätten. Das sei, so fügte er erklärend hinzu, die übliche Eingewöhnungszeit für die Gefangenen. Ehe Gucky eine Frage stellen konnte, wurde der Kontakt wieder unterbrochen.
Sie sahen sich um.
Wenn man sich überlegte, daß der mondgroße Planet bis zum Zentrum hohl war, konnte man sich zugleich ausrechnen, wieviel Platz in ihm vorhanden sein mußte. Kein Wunder also, daß auch die Wohnquartiere in räumlicher Hinsicht schon mehr als großzügig genannt werden konnten.
Jeder von ihnen verfügte über ein eigenes Appartement, ganz ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechend. Das von Gucky war kleiner als das des übergroßen Ertrusers Kasom, selbst das Bad war seinen Größenverhältnissen angepaßt. Fast konnte man den Eindruck haben, daß die Wohnungen extra für sie konstruiert worden waren.
Das indirekte Licht kam aus den Wänden; es war gelblich.
Es schien überhaupt nur noch Gelb zu geben, wenn auch in hundert verschiedenen Variationen und Tönungen. Ockergelb hingegen herrschte ganz offensichtlich vor. Die Polstermöbel leuchteten ockergelb, das Bettzeug war ockergelb, Wände und Decken der Räume waren ockergelb.
Gucky drückte auf den Reinigungsknopf der Toilette.
»Wenn da jetzt ockergelbes Wasser herauskommt, dann werde ich …«
Das Wasser war zum Glück richtiges Wasser und glasklar. So erfuhr auch niemand, was er dann getan hätte.
Sie trafen sich in Kasoms Wohnraum.
»Was nun? Sollen wir einen ganzen Tag untätig hier herumsitzen und warten?« Alaska fingerte an seinen Ortergeräten. »Vielleicht kann ich damit etwas anfangen.«
»Versuchen kannst du es ja mal, obwohl ich nicht viel davon halte, wenigstens hier nicht. Immerhin wissen wir nun etwas mehr, denn ich habe die eine Stunde, die inzwischen vergangen ist, nicht unnütz verstreichen lassen. Ich habe mich in meiner Wohnung aufs Bett gelegt.«
Kasom nickte vielsagend.
»Aha, du hast dich also aufs Bett gelegt und dabei die Lösung gefunden?«
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