Silberband 058 - Die Gelben Eroberer
rauchendes Wrack, in das unaufhörlich neue Einschläge hineinhämmerten. Eine Maschine heulte schrill auf, der Gleiter begann einen Steigflug, und einige Sekunden später stürzte er ab, eine riesige schwarze Rauchfahne hinter sich herziehend. Am Boden detonierte er.
Jaulend und kreischend jagten weißglühende Bruchstücke durch die Luft, zerfetzten die Gewächse und schlugen prasselnd in den Wald ein. Der Lärm sprengte fast die Trommelfelle der Männer. Das Thoen schrie laut auf, streckte die Beine von sich und raste in einem wirren Zickzackflug zurück in den Wald und verschwand dann zwischen den Baumkronen.
Der Gleiter verschwand in einer Reihe von Explosionen und in einer Rauchwolke, die sich pilzförmig ausbreitete und von dem trägen Wind nur langsam zerstreut wurde.
»Ich habe es gesehen, aber ich kann es kaum glauben«, sagte Sandal leise und schüttelte verblüfft den Kopf.
»Ihr Verbot gilt auch für ihre eigenen Trupps. Selbst diejenigen, die zum Schutz der Insel der Glücklichen da sind, dürfen den Todesstreifen nicht überfliegen.«
Der Rauchschleier breitete sich aus und schob sich zwischen die sinkende rote Sonne und die beiden Männer. Sandal kratzte sich nachdenklich im Nacken und meinte: »Die Idee, einen Gleiter zu kapern und damit bis zur Insel zu fliegen, müssen wir also aufgeben.«
»So ist es!« bestätigte Tahonka. »Und du bestehst dennoch darauf, die Todeszone zu durchschreiten?«
»Jawohl!« betonte Sandal.
Es war nunmehr ganz klargeworden: Sicher entsprachen die vier Geländeringe einigermaßen der Natur, waren aber eindeutig manipuliert worden und zu einem tödlichen System ausgebaut. Selbst das Gras, das in diesem Feld zwischen den Dornenbüschen wuchs und einigermaßen gepflegt wirkte trotz des hohen Wuchses, schien ein Ergebnis dieser merkwürdigen ›Landschaftsgestaltung‹ zu sein.
»Jeder Schritt bedeutet Gefahr«, wiederholte Tahonka.
»Du sagtest es schon einmal«, bemerkte Sandal. »Wir werden uns schrittweise vortasten. Dadurch wird sich die Zeit, die wir brauchen, verlängern, und wir müssen uns vorher noch ausruhen.«
»Bist du so mutig, oder ist dies etwa Dummheit?« erkundigte sich Tahonka-No sarkastisch.
»Manchmal weiß ich es selbst nicht. Aber Beareema und Chelifer sagten, es sei Mut.«
Sandal ging zurück zum Lager. Er fand das Thoen, das sich zitternd unter einem Baum zusammengerollt hatte und eine zerzauste Blüte in den schmalen Fingern hielt. Plötzlich wirkte die Hand sehr menschlich und zerbrechlich.
Der Knöcherne folgte ihm, schwang sich in die Hängematte und schlief bald ein.
Sie hatten ihre Ausrüstung ständig wieder überprüft, hatten die Wasserbehälter, die zum Teil aus länglichen, flachen Kürbissen bestanden, befestigt und die Tiere hervorragend gepflegt. Alles war bereit – sie holten sozusagen Atem, um den ersten Gürtel des Todes zu durchqueren.
»Es ist nur die Frage, ob wir nachts durchreiten, Tahonka, oder ob wir es am Tage wagen sollen.«
Sie bedachten die Gefahren vom Boden her und aus der Luft, und der Knöcherne sagte nach einem kurzen, tiefen Gelächter, das seinen neuerwachten Mut ausdrückte:
»Wir sollten ein Mittelding wählen und beim letzten Dunkel der Nacht aufbrechen, dann, wenn sich der Horizont grau zu färben beginnt!«
»Das ist gut«, sagte Sandal. »Es ist die Stunde, in der alle Wächter schlafen.«
Es war Abend. Hoch über ihnen, im letzten Sonnenlicht, sahen sie ein Raumschiff, das eben gestartet war. Noch hatte sie der Lärm nicht erreicht.
»Dann sollten wir noch einmal ausschlafen. Es sind sieben Stunden, also hat jeder dreieinhalb Stunden Wache. Klar?«
»Das ist in meinem Sinn«, sagte Tahonka.
Sie waren beide gespannt und aufgeregt wie vor einem Kampf, der sicher bevorstand. Die erwartungsvolle Unruhe übertrug sich sogar auf die beiden Reittiere und auf das hochsensible Thoen.
Ihre Waffen waren durchgesehen, neu gefüllt und gesäubert worden, die Kleidung war sauber, und die Vorräte würden bei kluger Einteilung etwa zehn Tage reichen. Vorsicht und Klugheit waren die besseren Teile eines Wagnisses, das wußten sie beide.
Zuerst schlief Sandal, von Tahonka-No bewacht, dann wechselten sie.
Sie bestiegen die Tiere in der Dunkelheit, ritten langsam bis zum Waldrand und warteten. Das Thoen kauerte über Sandals Kopf und schaute mit sämtlichen Augen in die Runde. Niemand sprach. Sie warteten auf ein Zeichen, auf einen auslösenden Impuls, der die aufgestaute Kraft entladen konnte.
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