Silberband 059 - Herrscher des Schwarms
sondern Tatcherguel, der Anführer des Tatcherguel-Stammes. Und nun öffnen Sie die Gatter, oder wir müssen kämpfen.«
Die Chiguen Lapargü drehte sich um und befahl: »Gatter öffnen!«
Die Gatter gingen hoch. Kurz darauf kamen drei weitere Chiguens durch den Torweg herein.
»Ich schlage vor, wir reden über die Angelegenheit«, wandte die Chiguen Lapargü sich abermals an mich. »Bitte, reitet alle zum Festplatz. Wir kommen nach, und ich sorge dafür, daß reichlich zu essen und zu trinken vorhanden ist.«
»Ich bin einverstanden«, sagte ich. »Vorausgesetzt, auch die Guels von diesem Stamm nehmen an den Verhandlungen teil.«
»Einverstanden«, bestätigte Chiguen Lapargü nach kurzer Überlegung.
Die Frauen machten uns danach bereitwillig Platz. Wir ritten etwas überhastet durch den Torweg, doch draußen stimmten die Eingeborenen ein Jubelgeschrei an. Drei meiner Leute hatten während der Auseinandersetzung mit den Chiguens die drei mißhandelten Männer befreit und auf ihren Tschapans mitgenommen. Jetzt erst stellte sich heraus, daß sie gar nicht ausgepeitscht worden waren. Ihre ›blutenden Striemen‹ bestanden aus roter Farbe.
»Ich möchte wissen, wie die Chiguens des Lapargü-Stammes von unserer Flucht erfahren haben«, sagte Msaguel nachdenklich.
»Es war keine Flucht, sondern ein taktisch erforderlicher Positionswechsel«, widersprach ich. »Wahrscheinlich verfügt die Chiguen Ogrupü doch über eine Funkanlage.« Ich schlug leicht gegen den erbeuteten Translator. »Sie besaß ja auch einen Translator.«
»Die Chiguen Ogrupü hat keine Funkanlage«, meinte Msaguel. »Das weiß ich ganz bestimmt, da ich ihr Erster Guel bin.« Er seufzte. »Hoffentlich nimmt sie es nicht schwer, daß ich sie verlassen habe.«
»Ihr werdet ja nicht lange getrennt sein«, tröstete ich ihn. »Sobald ihr eure Familien durch die Jagd ernähren könnt, holt ihr eure Frauen über den Strom. Dann beginnt ein neues Leben.«
Msaguels Augen strahlten. »Ein neues Leben, ja!« sagte er begeistert. »Und ich, ich allein, werde meine Chiguen Ogrupü ernähren!«
Diesmal seufzte ich. Der kleine Bursche war gerade ungefähr vierundzwanzig Stunden von seiner Frau getrennt, und schon hatte er Sehnsucht. Ich würde mich beeilen müssen, den Guels die Methode der Jagd und der Großviehzucht beizubringen, damit sie wirtschaftlich unabhängig von ihren Frauen wurden.
Am Festplatz angekommen, saßen wir ab, hielten uns aber in der Nähe unserer Tschapans, um bei einem eventuellen Verrat der Chiguen Lapargü schnell wieder auf dem Rücken der Tiere zu sein.
Doch es sah nicht so aus, als plante die Matriarchin eine Hinterlist. Nach und nach trafen die Männer des Lapargü-Stammes ein und begrüßten die Männer ihres Nachbarstammes. Als sie erfuhren, mit welcher Absicht wir gekommen waren, erschraken sie erst. Doch im Verlauf der Diskussion schienen sie Geschmack an der Sache zu finden, und als die Chiguens eintrafen, waren die Männer von Lapargü auf unserer Seite.
Die Verhandlungen konnten beginnen.
28.
Gegen Abend standen wir noch immer auf dem Festplatz. In den vergangenen fünf Stunden hatte es erbitterte Diskussionen zwischen Männern und Frauen gegeben – bis die Chiguen Lapargü vor zehn Minuten überraschend nachgegeben hatte.
»Wir wollen nicht länger streiten«, hatte sie gesagt, »sondern uns gütlich einigen. Da die Männer sich offenbar nicht mehr mit der alten Lebensweise abfinden wollen, sollen sie ruhig über den Strom gehen und alle Fähigkeiten erlernen, die sie für ein verändertes Leben brauchen.«
Die Chiguen Lapargü hatte allseitige Zustimmung geerntet. Mir gefiel das zwar nicht, denn auf diese Weise war es eine Chiguen gewesen, die den Ausschlag gab, aber ich hatte nicht protestiert. Es hätte sicher auch nichts genützt, denn der Protest wäre unpopulär gewesen.
Während Männer und Frauen Fleisch, Brot und Wein herbeischleppten, nahm ich Msaguel beiseite und flüsterte: »Ich kann nicht glauben, daß die Chiguen Lapargü es ehrlich meint. Sie hat zu plötzlich nachgegeben. Bestimmt brütet sie eine Teufelei aus.«
»Was ist eine Teufelei?« fragte der Eingeborene.
Ich erklärte es ihm ausführlich. Msaguel hob die Schultern und spreizte die Finger, bei den Heytschapans eine Geste der Unentschlossenheit und des Zweifels.
»Was kann sie schon unternehmen, Tatcherguel? Morgen reiten wir fort.«
»Jedenfalls müssen wir wachsam sein, solange wir uns in der Oase befinden«, meinte
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