Silberband 059 - Herrscher des Schwarms
für den nächsten Tag. Der Eingeborene schlug vor, einen kleinen Umweg zu machen und dem Stamm Lapargü einen Besuch abzustatten. Ich stimmte zu. Sicher würden wir die Männer des Lapargü-Stammes dazu bewegen können, sich uns anzuschließen.
Dieser Gedanke bewegte mich bis in den Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte ich frierend. Die Nachtkälte hatte mich ganz steif gemacht. Ich wärmte meinen Körper mit leichter Gymnastik an, den Rest besorgten heißer Tee und die Strahlen der Morgensonne.
Bevor wir aufbrachen, hielt ich eine kurze Ansprache, in der ich meinem Stamm die Absicht verkündete, den Männern des Stammes Lapargü die Emanzipation zu bringen.
Dreieinhalb Stunden später zügelten wir unsere Tschapans am Rand eines flachen Hochplateaus und blickten auf die Bauten von Lapargü hinab, die zwischen den Bäumen und Sträuchern der Oase standen. In den Gärten und auf den Feldern arbeiteten die Guels und die Chiguens. Es war ein Bild ungetrübter Harmonie – und wie sollte es auch anders sein! Der Stamm Lapargü wußte mit Sicherheit nichts von den Vorgängen beim Stamm Ogrupü. Die Eingeborenen kannten keinen Funk, und niemand hatte uns überholt, um die Chiguen Lapargü zu warnen. Wahrscheinlich konnten die Frauen Heytschapans wegen ihrer Körperfülle keine Tschapans reiten, obwohl sie sich bei der Feldarbeit recht flink bewegten.
Ich stieß einen lauten Pfiff aus, und wir setzten uns in Bewegung. Inzwischen hatte ich mich an das Reiten auf Tschapans gewöhnt, was durch die Wasserbeutel erleichtert worden war. An der Spitze meiner Leute ritt ich in die Oase ein. Msaguel trieb sein Tier an, setzte sich neben mich und wies auf einen flachen Gebäudekomplex.
»Dort werden wir die Chiguen Lapargü finden, Tatcherguel«, sagte er.
Ich nickte und lenkte mein Tschapan in die angegebene Richtung. Kurz darauf ritten wir durch einen von Mauern begrenzten Torweg und kamen auf einen großen, mit Steinplatten belegten Hof.
Die Guels gaben Laute des Entsetzens und Abscheu von sich, als sie die drei Männer erblickten, die mit Ketten an Mauerringe gefesselt waren. Ihre nackten Oberkörper waren von blutenden Striemen überzogen.
Hinter uns krachte es.
Ich fuhr herum und sah, daß der Torweg durch zwei Gatter aus starken Holzbohlen versperrt war. Im gleichen Moment öffneten sich Türen in den Wänden der ringsum stehenden Gebäude. Etwa zwanzig kugelförmige Riesenfrauen stapften auf den Hof. Sie trugen provisorische Rüstungen, die teils aus Metall, teils aus Leder gefertigt waren.
Also hatte man die Matriarchin von Lapargü doch gewarnt!
In den Händen schwangen die resoluten Frauen Peitschen und schwere Äxte. Diesmal würde ich verlieren, das wußte ich. Gegen die Rüstungen kam ich mit meinen Dagor-Künsten nicht an; ich würde vielleicht eine Gegnerin außer Gefecht setzen, dann aber sicherlich Prügel bekommen.
»Treibt sie mit den Tschapans zum Torweg!« rief ich meinen Gefährten zu, nachdem ich den Translator auf stärkere Akustik geschaltet hatte. »Bleibt zusammen!«
Die Eingeborenen gehorchten und verhielten sich entgegen meinen Befürchtungen diszipliniert. Die Tschapans rückten dicht zusammen, dann gingen sie in geschlossener Front gegen die Chiguens vor. Einige Frauen schlugen mit den Peitschen auf die Tiere ein. Das hörte allerdings sofort auf, als zwei Chiguens von Tschapans gebissen wurden.
Plötzlich trat eine Frau aus den wankenden Reihen ihrer Geschlechtsgenossinnen und stellte sich uns entgegen. Sie schleuderte ihre Peitsche unter die Hufe der Tschapans und rief: »Halt, ihr Wahnsinnigen!«
»Das ist die Chiguen Lapargü«, flüsterte Msaguel mir zu. »Die schönste Frau von ganz Heytschapan. Hm!«
»Hm!« machte ich. Wahrscheinlich mußte man Heytschapaner sein, um eine Frau wie die Chiguen Lapargü schön finden zu können.
Ich hob die Hand. »Wir sind nicht wahnsinnig, sondern nur nicht bereit, uns länger unterdrücken zu lassen, Chiguen Lapargü. Laßt die Männer eurer Stämme wie freie Männer leben, und alles wird gut werden.« Ich räusperte mich, um die Rührung zu unterdrücken, die mein gefühlvoller Ausspruch in mir erzeugt hatte.
Die Chiguen Lapargü fixierte mich scharf. »Sie sind gar kein Guel, sondern ein Sternenmensch. Gehen Sie zu Ihrem Stamm zurück, und hetzen Sie nicht unsere Männer gegen uns auf!«
»Der erste Zug in diesem Spiel wurde nicht von mir getan«, entgegnete ich, »sondern von der Chiguen Ogrupü. Ich bin jetzt kein Sternenmensch mehr,
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