Silberband 059 - Herrscher des Schwarms
ich.
»Dort kommt die Chiguen Lapargü«, sagte Msaguel und blickte an mir vorbei.
Ich wandte mich um und sah die Matriarchin. Sie kam auf mich zu, und es sah so aus, als rollte eine bunte Kugel heran. Eine zweite Chiguen begleitete sie und trug eine Art Tablett mit zwei großen Tonkrügen.
»Als Zeichen der Versöhnung bitte ich dich, Tatcherguel, mit mir zusammen auf das Glück aller Guels und Chiguens zu trinken. Chiguen Urgavü, bitte!«
Die zweite Chiguen hielt mir das Tablett hin. Ein Krug stand so, daß ich ihn nicht erreichen konnte, ohne mich zu verrenken, der andere war nur eine Handspanne von mir entfernt.
»Laß bitte das Tablett herab, Chiguen Urgavü«, sagte ich.
Die Chiguen Urgavü gehorchte. Dadurch geriet auch der Krug auf der anderen Seite des Tabletts in meine Reichweite. Rasch wechselte ich die Krüge aus, nahm meinen und hob ihn.
Gerade wollte ich zu einem Trinkspruch ansetzen, da nahm eine unsichtbare Hand mir den Krug fort. Kurz darauf wurde die Gestalt Commander Rorvics sichtbar. Der Albino hielt meinen Krug in der Hand.
Er stellte ihn auf das Tablett zurück, dann blickte er die Chiguen Lapargü an und sagte mit seiner tiefen Baßstimme:
»Gestatten, Mylady, mein Name ist Rorvic. Dieser Zwerg …«, er deutete auf mich, »… verstieß gegen eindeutige Befehle, als er versuchte, die bestehende Gesellschaftsordnung zu zerstören. Ich werde dafür sorgen, daß der angerichtete Schaden schnell behoben wird.«
Ich wurde weiß vor Wut. Gleichzeitig aber wußte ich, daß ich gegen den fetten Albino nicht ankam. Er hatte in diesem Moment gesiegt, in dem er unter dem Schutz eines Deflektorschirmes auf dem Festplatz von Lapargü gelandet war.
Rorvic fixierte mich, dann fiel ihm etwas ein. Mit flinkem Griff vertauschte er die Krüge abermals, nahm einen in seine fette Hand und sagte: »Mylady, ich schlage vor, wir trinken gemeinsam auf mein Wohl, bevor ich an die Arbeit gehe.«
Er setzte den Krug an und leerte ihn in einem Zug. Sein Adamsapfel hüpfte dabei zappelnd auf und ab.
Plötzlich ließ er den Krug fallen, griff sich an die Kehle und gab ein dumpfes Röcheln von sich. Dann wankte er ziellos umher. Die Guels sprangen erschrocken auf.
Im nächsten Moment stand das trockene Gras des Festplatzes in Flammen. Die angepflockten Tschapans brüllten und zerrten wie wild an den Leinen. Einige rissen sich los und rasten davon. Glücklicherweise war das dürre Gras nur spärlich gewesen und verbrannte, bevor die Flammen größeren Schaden anrichten konnten.
Immerhin löste der Brand eine Panik sowohl unter den Frauen als auch bei den Männern aus. Sie liefen durcheinander, wobei die Männer zu den Tschapans und die Frauen zum benachbarten Teich eilten.
Ich hüpfte mit schmerzenden Füßen durch die letzten Flammen und blickte mich um. Aber von Dalaimoc Rorvic war nichts zu sehen, auch nicht, als nur noch wenige Männer und Frauen auf dem Platz waren.
Im nächsten Moment entdeckte ich den Albino. Er lag auf einer metallenen Plattform, die langsam davonschwebte – und neben ihm saßen die Chiguen Lapargü und die Chiguen Urgavü. Jedenfalls nahm ich an, daß es sich um die beiden Chiguens handelte, denn zwischen ihnen stand das Tablett mit den Weinkrügen.
Die Erleuchtung fuhr wie ein Blitzschlag durch mein Bewußtsein: Lapargü und Urgavü waren keine Eingeborenen, denn es gab keinen Heytschapan, der über eine Antigravplattform verfügte. Sie mußten Cynos sein. Nur diese geheimnisumwitterten Lebewesen vermochten die Gestalt anderer Lebewesen perfekt zu imitieren, und zwar mit Hilfe einer ›Paramodulation‹ genannten Fähigkeit.
Mein Plan, durch die Schaffung einer Männer-Emanzipationsbewegung die auf Heytschapan vermuteten Cynos zu provozieren, war aufgegangen – allerdings ein wenig anders, als ich mir das vorgestellt hatte.
Das Gift, das Commander Rorvic wehrlos gemacht hatte, war für mich bestimmt gewesen. Ich hatte die Krüge vertauscht – und Rorvic hatte sie wieder in die ursprüngliche Position gebracht, weil er offenbar von meinem Tausch nichts gesehen hatte. Demnach war er erst in dem Moment gelandet, als ich den Krug bereits in der Hand hielt.
War das die Erklärung dafür, daß er die wahre Natur von Lapargü und Urgavü nicht rechtzeitig erkannt hatte?
Ich konnte es mir nicht vorstellen. Dalaimoc Rorvic erkannte jeden Cyno sofort. Wenn er mich und meine Handlungen psionisch beobachtet hatte, hätte er mit seinen Parasinnen auch aus großer Entfernung die
Weitere Kostenlose Bücher