Silberband 060 - Die Cynos
Minuten hinausschieben konnte. Vom Schirm des Bild-Sprechgerätes blickte ihm ein sehr besorgter Kommandant der MARCO POLO entgegen.
»Was ist vorgefallen, Oberst?« erkundigte sich Rhodan.
»Erinnern Sie sich, Sir, daß wir vor zwanzig Stunden ein Dutzend fremder Schiffe im Praspa-System orteten, die ungefähr so aussahen wie überkreuzte Hanteln?« fragte Elas Korom-Khan. »Wir maßen dem keine Bedeutung bei, weil sich die Schiffe wieder zurückzogen. Doch eben hat mir ein Korvetten-Kommandant gestanden, daß er bei seiner Landung auf Kokon von ihnen eindeutig beobachtet wurde. Das könnte bedeuten, daß der Gegner nun das Versteck der MARCO POLO kennt.«
Rhodan bat den Emotionauten sofort in die Kommandozentrale. Dann befahl er der Ortungszentrale, das Gebiet um das Praspa-System aufmerksamer zu beobachten als bisher und augenblicklich zu melden, falls eine Konzentration von gegnerischen Schiffen erfolgen sollte.
Tatsächlich erhielt er noch in derselben Minute die Meldung, daß in östlicher Richtung, zwei Lichtjahre vom Praspa-System entfernt, ungewöhnlich viele Einheiten kreuzten. Die Auswertung der Fernmessung ergab, daß es sich um nicht weniger als vierzig Schiffe verschiedener Größenordnungen und Formen handelte. Mehr als die Hälfte davon waren Kreuzhantel-Schiffe.
Diese kleine Flotte ließ keinerlei feindselige Absichten erkennen. Aber allein die Tatsache einer Schiffsmassierung in der Nähe des sonst gemiedenen Praspa-Systems gemahnte Rhodan zur Vorsicht.
Er ließ sämtliche Stationen besetzen, um die MARCO POLO notfalls in Sekundenschnelle gefechtsklar und startbereit zu haben.
»Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet«, äußerte sich wenig später Oberst Elas Korom-Khan zufrieden.
Aber in diesem Punkt irrte der Emotionaut gewaltig.
Es war 11 Uhr 26 und dreizehn Sekunden, als die vollpositronischen Warnanlagen Vollalarm gaben.
Die Männer in der Kommandozentrale sahen einander verblüfft an. Sie waren auf ihren Posten, doch wußten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sämtliche Geschützstände waren besetzt, doch die Feuerleitoffiziere bekamen keinen Gegner zu sehen.
Die Techniker in der Ortungszentrale nahmen in fieberhafter Eile Schaltungen vor, überprüften ihre Geräte, desaktivierten die Automatiken und bedienten die verschiedenen Ortungsanlagen manuell. Doch an den Tatsachen änderte sich nichts – im Umkreis von mehreren Lichtmonaten waren keine Angreifer zu entdecken.
Trotzdem gellte der durchdringende Heulton der Alarmsirene durch das Schiff.
Rhodan war blaß geworden. Er hatte schon beim ersten Ton der Alarmsirene geahnt, welcher Art die Bedrohung für die MARCO POLO war. Die Tatsache, daß rund um das Praspa-System keine Gegner zu erkennen waren, ließ seine Ahnung zur Gewißheit werden.
Er ordnete sofort die Abwehr an, doch wurde sie um einige Minuten zu spät wirksam.
Die Besatzung der MARCO POLO war einem gnadenlosen Feind ausgeliefert, der eine winzige Chance erkannt und genutzt hatte.
Da Professor Warlo Pottkin auf Terra bei einer Auseinandersetzung mit einer Horde Verdummter umgekommen war, hatte sein Assistent Galzhasta Rouk die Ezialistische Abteilung auf der MARCO POLO übernommen. Rouk sah seine große Stunde für gekommen.
Pottkin war ein guter Ezialist gewesen, doch viel zu konventionell und zu zurückhaltend, als daß er der Extra Zerebralen Integration hätte zum Durchbruch verhelfen können. Er ging von dem veralteten Grundsatz aus, daß der Ezialismus keine Werbung brauchte, sondern daß seine Erfolge für sich selbst sprachen. Die Tatsache jedoch, daß der Ezialismus während der Expedition nach Gruelfin kaum in Erscheinung getreten war und kaum jemand von der achttausendköpfigen Besatzung wußte, daß es einen Vertreter dieser Wissenschaft überhaupt an Bord gab, war nicht sehr ermutigend.
Rouk hatte sich dennoch vorgenommen, dem Schattendasein des Ezialismus ein Ende zu bereiten und den Vertretern der konventionellen Wissenschaften den Kampf anzusagen. Er stürzte sich mit jugendlichem Eifer in die Verwirklichung seiner Pläne. Er hielt in seinen bescheidenen Räumen Vorlesungen ab und scheute auch nicht den Weg zu den Kollegen von den ›altehrwürdigen‹ Wissenschaften.
Im Augenblick versah er freiwilligen Dienst in der Transmitterhalle. Er vertrat einen mit ihm befreundeten Techniker, der seit dem Einflug in den Schwarm an einer Störung seiner Gesichtssinne litt.
Rouk hatte seinen Posten keineswegs aus reiner Freundschaft
Weitere Kostenlose Bücher