Silberband 061 - Terra im Brennpunkt
zu ihr auf die Couch und gemeinsam verfolgten sie auf dem Bildschirm die Sendung des ›Sekundär-Studios‹. Boyran saß auf dem Boden und war so sehr in das laufende Programm vertieft, daß die Umwelt um ihn versank. Er merkte nicht einmal, daß seine Eltern hinter ihm saßen.
Die Propagandasendung war unglaublich realistisch gestaltet. Niemand, der es nicht wußte, hätte es für möglich gehalten, daß die Massenkundgebungen und Demonstrationen in Peking, Haifa und Kairo nur gestellt waren. Die Demonstranten forderten auf Transparenten und in Sprechchören die ›Zerschlagung der Europäisch-Atlantischen Allianz‹ und die ›Entmachtung Terranias‹.
Es fiel bei all diesen Szenen nur auf, daß die Demonstranten nie in Großaufnahme gezeigt wurden. Aber die Beobachter aus dem Schwarm, die diese Sendungen analysierten, um sich ein Bild der Terraner zu verschaffen, würden sich dabei sicherlich nichts denken.
Danach erklärte ein braunhäutiger Kommentator von AAR-Television:
»Die weltpolitische Situation wird immer unhaltbarer. Soeben haben wir aus Genf die Meldung erhalten, daß die siebenunddreißigste Verhandlungsrunde über die Verteilung der antarktischen Gebiete vertagt wurde. Die Europäisch-Atlantische Allianz ist nicht gewillt, von ihren Forderungen zurückzutreten. Wie der Vertreter Galbraith Deightons ausdrücklich erklärte, beanspruche die EurAA nach wie vor die Gebiete jenseits des Südpols von Coats-Land bis Enderby-Land einschließlich des gesamten Enderby-Quadranten. Die ursprüngliche Grenze, die von Coats-Land über den Südpol zum Rockefeller-Plateau ging, wurde als untragbar bezeichnet.
Die starre Haltung der EurAA gegenüber den Vorschlägen des Afro-Asiatischen Reichs, deren Abgesandte bekanntlich einen Tausch der an die Ross-See grenzenden Landstriche gegen die von der EurAA geforderten Gebiete zur Debatte stellten, kann nur als Provokation bezeichnet werden. Daraus geht deutlich hervor, daß die EurAA unter allen Umständen – selbst auf die Gefahr hin, einen Weltkrieg zu entfesseln – und mit allen Mitteln ihre Macht ausdehnen möchte. Das Endziel des Westens muß nun deutlich erkennbar werden: die absolute Weltherrschaft. Und was hört man aus Terrania, dem Sitz der sonst so stimmgewaltigen Weltregierung, wenn es darum geht, dem AAR mit Sanktionen zu drohen und die Ostpolitik zu verdammen? Terrania schweigt. Perry Rhodan läßt es zu, daß die westlichen Agitatoren die Erde in einen Weltkrieg stürzen …«
»Das ist spannender als die SF-Serie mit den Agenten der Evolutionspolizei«, sagte Boyran aufgeregt, als ein Bericht über die Truppenbewegung des AAR an den Grenzen der ehemaligen Mongolei gezeigt wurde.
»Nur ist das leider die Wirklichkeit«, sagte seine Mutter betrübt.
»Ist nicht wahr«, widersprach Boyran. »Das ist nicht echt, sondern alles wie in einem Film – aber spannender.«
Rita betrachtete ihren Sohn mit einem seltsamen Ausdruck. Ezrhad lächelte seinem Sohn zu.
Rita sagte: »Du solltest ihm verbieten, die Sendungen über die Kriegspropaganda anzusehen. Das übt keinen guten Einfluß auf ihn aus.«
»Ich finde, er sollte über alles informiert werden«, entgegnete Ezrhad. »Du hast selbst gehört, daß er es nur als aufregendes Spiel auffaßt.«
»Ich habe nichts gegen die anderen Sendungen des Sekundär-Studios einzuwenden«, sagte Rita. »Aber Krieg ist nichts für Kinder – in keiner Form.«
Ezrhad nickte bedächtig. »Vielleicht hast du recht, Rita. Du hast gehört, was deine Mutter gesagt hat, Boy. Es ist sowieso schon Zeit, daß du ins Bett kommst.«
Boy schnitt eine Grimasse. Aber er begehrte nicht auf. Artig küßte er seine Mutter und seinen Vater und schlurfte in Richtung seines Zimmers. Auf halbem Weg zögerte er.
»Bedrückt dich etwas?« fragte sein Vater.
Boy sagte stockend: »Ich habe die Propagandasendungen aufmerksam verfolgt, weiß aber immer noch nicht, warum die Menschheit in zwei Lager aufgeteilt wurde.«
Ezrhad seufzte. Das war etwas, das man einem Zehnjährigen nur schwer erklären konnte. Eine andere Frage war, ob man es überhaupt tun sollte. Aber da Ezrhad schon immer der Meinung gewesen war, auch Kindern reinen Wein einzuschenken, fiel ihm die Entscheidung letztlich nicht schwer.
»Perry Rhodan will bei den Schwarmvölkern den Eindruck erwecken, daß wir Terraner kriegerisch sind und gute Kampftruppen abgeben würden«, erklärte er. »Um das zu demonstrieren, war es notwendig, zwei Parteien zu bilden, die
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