Silberband 063 - Das Tabora
vom Transportband zu Rorvics Kabine befördern und drückte den Türmelder.
Entgegen meines bisherigen Erfahrungen öffnete sich das Schott schon eine halbe Minute später. Rasch steckte ich den nachgefertigten Impulsgeber in meine Bordkombination zurück und trat ein.
Ich ging in die Wohnzelle. Ich war davon überzeugt, den Tibeter meditierend dort anzutreffen, doch ich irrte mich.
»Kommen Sie herein, Tatcher!« rief Dalaimoc Rorvic. Die Stimme kam aus der kabineninternen Sprechanlage.
»Wo sind Sie denn, Sir?« fragte ich.
»In der Naßzelle, Sie Faultier«, gab Rorvic zurück.
Ich seufzte resignierend.
Es war eine Schande, daß der Großadministrator zuließ, daß mein Vorgesetzter mich ständig schikanierte. Nicht nur, daß er mich beschimpfte, jetzt sollte ich auch noch zu ihm in die Naßzelle kommen, obwohl er ganz genau wußte, daß ich als Marsianer der a-Klasse feuchte Luft nicht vertrug.
Wenn ich nicht genau gewußt hätte, daß der Lordadmiral mich dafür verantwortlich machte, daß der fette Albino rechtzeitig an Bord unserer Space-Jet ging, hätte ich nicht gehorcht. So aber blieb mir nichts anderes übrig.
Ich öffnete die Schiebetür zur Naßzelle. Heißer Wasserdampf schlug mir ins Gesicht. Dalaimoc Rorvic wurde von den gepolsterten ›Armen‹ des Pflegeroboters nach und nach in alle möglichen Stellungen gedreht und dabei mit viel Badeschaum und rotierenden Bürstenköpfen Millimeter um Millimeter abgeschrubbt.
»Sprechen Sie!« bedeutete er mir, während ihn die Bürstenköpfe durchwalkten.
»Wir haben einen neuen Einsatzbefehl erhalten, Sir«, sagte ich. »In zwanzig Minuten müssen wir an Bord der BUTTERFLY sein. Wir sollen Merceile und Takvorian in den schwarmexternen Raum bringen.«
Mindestens hundert Düsen hüllten den Tibeter in zischendes, brodelndes heißes Wasser, dann folgte eiskaltes Wasser und dann warme Trockenluft, die die Feuchtigkeit begierig aufsaugte.
Mit krebsroter Haut wurde Rorvic aus der Gewalt des Pflegeroboters entlassen. Wir gingen in die Wohnzelle, und mein Vorgesetzter zog sich gemächlich an.
»Der Großadministrator ist mit Orana Sestore auf der Erde gewesen, nach dem sie während des letzten Einsatzes auf seinem Flaggschiff gewohnt hat«, sagte ich.
»Na und?« meinte der fette Albino. »Sie sind doch beide alt genug, um zu wissen, wohin so etwas letzten Endes führen muß.«
»Jawohl!« sagte ich mit erhobener Stimme. »Aber sie sind nicht verheiratet, während ich verheiratet bin und Sie nicht zulassen, daß sich meine Frau auf die MARCO POLO versetzen läßt!«
Prustend bemühte sich Rorvic in das hautnahe, atmungsaktive Unterhemd. Als sein Kopf wieder zum Vorschein kam, entgegnete er: »Aber ich will doch nur Ihr Bestes, Tatcher.«
Er hob den Zeigefinger: »Man soll sich vor den Frauen hüten. Auf eine kluge kommen tausend dumme oder schlechte. Der Charakter der Frau ist verborgener als der Weg, den der Fisch im Wasser nimmt. Sie ist wild wie ein Räuber und ebenso hinterhältig. Nur selten spricht sie die Wahrheit. Für sie sind Wahrheit und Lüge dasselbe.«
Ich ballte die Hände. »Sie sind ein Verleumder, Sir!« schrie ich. »Meine Frau ist nicht hinterhältig und auch nicht dumm!«
Dalaimoc Rorvic seufzte. »Wer sich nach Frauen sehnt, findet keinen Frieden, Captain Hainu. Aber auf mich hört ja niemand. Diese Welt wird noch an den Frauen zugrunde gehen.«
Ich bebte innerlich vor Zorn über so viele anmaßende Behauptungen. Wahrscheinlich litt der Tibeter noch immer unter einer unglücklichen Liebe seiner Jugend – oder er war aus irgendeinem anderen Grunde zum Frauenfeind geworden.
»Bringen Sie mir meinen neuen Kampfanzug!« befahl Rorvic mir in anmaßendem Ton. »Und die neuen Raumstiefel! Die alten waren ja schon halb verwest; ich habe sie in den Müllschlucker geworfen.«
Ich ging an den Einbauschrank und nahm Rorvics Kampfanzug heraus. Plötzlich fiel mir das steinharte Ei ein, das ich gestern auf Stato II gefunden hatte. Es war nicht größer als ein Taubenei und hätte mich beinahe erschlagen, als es aus der Krone eines riesigen Baumes dicht neben mir auf weichen Waldboden gefallen war.
Ich steckte das Ei in die linke Oberschenkeltasche des Kampfanzuges. Vielleicht ging es eines Tages doch kaputt, dann würde sich der Albino über die Brühe in seiner Tasche wundern.
Nachdem ich den Magnetsaum der Tasche geschlossen hatte, half ich meinem Vorgesetzten in den Anzug und in die Stiefel. Dann eilte ich in meine Kabine und
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