Silberband 068 - Anti-Universum
vorstellen, daß die Verantwortlichen unseres Schiffes die MARCO POLO II vergessen haben. Wahrscheinlicher ist, daß sie allen Konflikten in dieser Beziehung aus dem Wege gehen wollen. Das ist verständlich, denn ich muß zugeben, daß es sich um ein gefährliches Unternehmen handelt, das ich zur Diskussion stelle. Wir müßten uns nämlich der MARCO POLO II zum Kampf stellen und sie unter so starken Beschuß nehmen, daß die Nug-Schwarzschild-Reaktoren zur Verstärkung der Schutzschirme herangezogen werden müssen. Nun dürfen wir aber nicht so naiv sein und annehmen, daß nach der von uns errechneten Toleranzzeit, der sogenannten Überlastungsperiode, derselbe Effekt wie auf der HYODPON ganz von selbst eintritt. Im Gegenteil, wir müssen sogar damit rechnen, daß Perry Rhodan II, also der Antipode unseres Großadministrators, über die defekten Strukturöffnungen des Koma-Verdichtungsformfeldes Bescheid weiß und die Fehlerquelle beseitigen ließ. Deshalb sollten wir Mutanten an Bord der MARCO POLO II schicken, die die Nug-Reaktoren sabotieren. Wenn diese dann anlaufen, muß es früher oder später zur Explosion kommen, die uns aus dieser sekundären Parallelwelt hinaus- und in unser Universum zurückschleudern soll. Wissenschaftliche Bedenken gibt es, glaube ich, nicht, höchstens moralische.«
Galzhasta Rouk blickte zu Perry Rhodan, der zwischen Professor Waringer und Lordadmiral Atlan saß.
An ihn gewandt, fuhr Rouk fort: »Es wäre menschlich verständlich, wenn Sie Skrupel haben, Ihren Antipoden einfach auszulöschen, Sir. Denn in gewisser Weise würden Sie sich ja selbst töten – auch wenn es sich um ein Ich mit einem völlig konträren Charakter handelt.«
Rhodan lächelte fein. »So sehr, wie Sie zu glauben scheinen, fühle ich mich mit meinem Antipoden gar nicht verbunden. Außerdem sollten Sie daran denken, daß es an Bord der MARCO POLO II auch einen Galzhasta Rouk gibt. Das gleiche gilt praktisch für jedes der 8.500 Mannschaftsmitglieder.«
»Bestimmt wird niemand seinem negativen Doppelgänger nachtrauern«, sagte Galzhasta Rouk. »Was sollte uns dann noch daran hindern, dieses Unternehmen zu starten? Höchstens noch die Angst vor dem Risiko.«
»Es gibt auch noch wissenschaftliche Bedenken«, erklärte Professor Waringer. »Es ist gar nicht so sicher, daß wir durch eine Nugas-Explosion zurück in unsere eigene Realität kämen. Wahrscheinlich gibt es neben dieser Parallelwelt noch Millionen andere. Und jede dieser unzähligen Parallelwelten würde sich dann von unserer eigenen Realität unterscheiden. Die Chance aber, daß wir in unser Universum abgestoßen werden, wäre eins zu unendlich. Darauf dürfen wir uns nicht einlassen. Wenn wir einen Versuch dieser Art starten, müssen wir Gewißheit für das Gelingen haben. Alles andere ist indiskutabel. Es ist besser, wenn wir abwarten. Vielleicht bietet sich uns bald eine hundertprozentige Möglichkeit an. Im Augenblick haben wir sie jedoch nicht. Deshalb sind wir vorerst in dieser Parallelwelt gefangen.«
Waringers Argumente wurden von allen Anwesenden voll akzeptiert; Galzhasta Rouk mußte kapitulieren.
Rhodan sagte in das entstandene Schweigen hinein: »Da die Wissenschaftler keine Möglichkeit zur Rückkehr gefunden haben, müssen wir uns mit einem längeren Aufenthalt in der Parallelwelt abfinden. Es geht vor allem weiterhin darum, das Beste aus unserer Lage zu machen. Wir müssen unsere Position festigen. Das können wir, indem wir weiter nach Verbündeten suchen, indem wir Kontakte zu Kreisen schaffen, die mit dem Regime meines Antipoden nicht einverstanden sind und die darunter zu leiden haben.«
Rhodan hatte erkannt, daß nicht alle Bewohner der Parallelwelt negative Spiegelbilder ihrer Doppelgänger im Einstein-Universum waren. Es kristallisierte sich immer mehr heraus, daß primär die Bewohner des Solsystems eine Umkehrung oder Umpolung ihrer Psyche erfahren hatten. Aber dort war die Umkehrung dafür perfekt.
Perry Rhodan II war ein Tyrann. Dagegen waren die Insassen der ›Rehabilitierungszentren‹ genannten Gefängnisse keine Verbrecher, sondern aufrechte und standhafte Männer und Frauen mit Zivilcourage, die es gewagt hatten, gegen das Regime aufzubegehren.
Auf den Welten außerhalb des Solsystems war diese Umpolung der menschlichen Psyche stellenweise nicht beobachtet worden. Im Gegenteil, hier hatten sich überall Widerstandsbewegungen organisiert, die einen zähen, aber aussichtslosen Kampf gegen die Gewaltherrschaft von
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