Silberband 070 - Gehirn in Fesseln
Recht.«
Rhodan atmete auf. Er hatte sein vorläufiges Ziel erreicht. Jetzt lebte er in einem weitaus besseren Körper als vorher. Seine Chancen waren wieder gestiegen. Zugleich hatte er seine Spuren verwischt und seinen gefährlichsten Gegner, das GOK, nachhaltig getäuscht. In Doynschto besaß er einen wichtigen Verbündeten, mit dessen Hilfe er Verbindung mit der Erde aufnehmen konnte.
Hactschyten galt als ein mächtiger und einflußreicher Mann. Jetzt mußte sich zeigen, ob die Gerüchte sich als richtig erwiesen. Schon in den nächsten Stunden würde er sich als Hactschyten mit den Machtverhältnissen vertraut machen.
22.
Angesichts des merkwürdigen Gebäudes verhielt Rhodan den Schritt.
Die Energieschirme, die den mächtigen Park umgaben, hatten ihn anstandslos passieren lassen; denn die Sensoren sahen in ihm niemand anderen als Hactschyten, den Kaufmann und rechtmäßigen Besitzer des Anwesens. Sie konnten ihn für niemand anderen halten; denn ihre Intelligenz war elektronischer Natur und die Elektronik vermag nur Körper, nicht aber Seelen voneinander zu unterscheiden.
Er hatte den Energieschirm passiert und war den Weg entlanggewandert, der zwischen Blumenbeeten, lockeren Hainen und blühenden Buschinseln zum Haus führte. Jetzt aber blieb er stehen. Nichts hatte ihn auf den eigenartigen Anblick des Hauses vorbereitet, und doch hatte man ihm gesagt, er berge das Wissen des Kaufmanns Hactschyten in seinem Bewußtsein.
Er horchte in sich hinein. »Warum kenne ich es nicht?« fragte er.
»Du weißt noch lange nicht alles«, kam die höhnische Antwort aus seinem Innern. »Du denkst nur, du seist der Meister. In Wirklichkeit bin ich es!«
Er achtete nicht auf den Spott. Beizeiten würde er die zweite Seele bezwingen, die in seinem Innern wohnte und die nach dem Verlassen der Klinik unerwartet gegen ihn zu rebellieren begonnen hatte. Vielleicht hatte erst der Schock über die Verpflanzung abklingen müssen. Aber vorläufig hatte er auf anderes zu achten.
Das Haus hatte die Form einer gigantischen Muschel. Die Schale der Muschel war leicht geöffnet – gerade genug, um dem Gebilde eine gefällige Asymmetrie zu verleihen. Die Muschel ruhte auf vier stählernen Säulen, die die Form eines stumpfen Kegels besaßen. Der Unterteil der Muschel war einige Meter vom Boden entfernt, und unter ihr grünte und blühte der farbenprächtigste Garten, den er je gesehen hatte.
Rings um das Haus herum erhoben sich vier Kuppeln. Sie wuchsen aus dem Grün des Parks und bildeten die vier Eckpunkte eines Quadrats, in das das kleinere Quadrat, dessen Ecken von den vier tragenden Säulen markiert wurden, verkantet eingezeichnet war. Es gab keine sichtbare Verbindung zwischen den Kuppeln und dem Haus, und dennoch war er überzeugt, daß Dutzende von Verbindungsgängen bestanden, die unter der Erde hinliefen und in die konischen Säulen mündeten, in denen die Zugänge zu dem Muschelhaus verborgen sein mußten.
Die zweite Seele in ihm hatte die Bewunderung registriert, die er dem Garten zollte.
»Geh hin und sieh ihn dir an!« forderte sie ihn auf. »Er ist ein Prachtstück. Du wirst so schnell nichts Ähnliches in Naupaum finden.«
Es war ein eigenartiges Drängen in dieser Aufforderung, das ihn mißtrauisch machte. Er gehorchte dennoch. Der Garten war ein Gewirr von exotischen Pflanzen, dergleichen er noch nie gesehen hatte.
Einige Schritte vor einer großen feuerroten Blüte blieb er stehen. Sie glich dem Hibiskus, den er aus seiner Heimat kannte, nur war sie um ein vielfaches größer. Lange hellgrüne Blütenfäden drangen aus der Tiefe des Kelches hervor und überragten den Blütenrand fast um eine Handspanne. An ihren Enden trugen sie goldgelbe Pollenbeutel, die zu vibrieren schienen.
»Tritt ruhig näher!« forderte ihn die zweite Seele auf. »Du hast noch nie einen Duft gerochen wie den, den die rote Ngaischen ausströmt.«
Er jedoch trat statt dessen zur Seite, um eine andere Pflanze zu mustern. Es war ein seltsames Gewächs, das einen dicken, fleischfarbenen Stengel fast zwei Meter weit in die Höhe reckte. Am Ende des obszön wirkenden Gebildes wuchs ein violetter Knollen, der vielfach gerillt war. Er stand noch da und wunderte sich über die eigenartige Anatomie der Pflanze, da flog aus einem Gebüsch des Parks ein buntgefärbter Vogel herbei und schickte sich an, den Garten unter dem Haus zu überqueren. Er flog dicht an dem fleischfarbenen Stengel vorbei. Im selben Augenblick zuckte der Stengel zusammen.
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