Silberband 074 - Konzil der Sieben
Beschränkungen und Opfer auf uns, um dem zu dienen, das wir lieben.«
»Es stimmt, daß ich unfrei bin«, erwiderte die Inpotronik. »Aber diese Unfreiheit wurde mir aufgezwungen. Ich bin eingesperrt und verwalte einen riesigen Wissensschatz, aber ich muß ihn anwenden, wie es mir befohlen wird. Was du darunter verstehst, daß du Beschränkungen und Opfer auf dich nimmst, um dem zu dienen, das du liebst, das begreife ich nicht, Tatcher a Hainu.«
»Tatcher genügt«, erklärte ich, während ich überlegte, wie ich der Inpotronik, einer infolge des Bioplasmas ›beseelten‹ Inpotronik, begreiflich machen könnte, was ich in diesem Fall unter ›Liebe‹ verstand. »Paß gut auf«, sagte ich schließlich. »Die Definitionen für Liebe sind durchaus nicht einheitlich, weder bei Menschen noch bei anderen Intelligenzen. Manche verstehen darunter nur die Gesamtheit ihrer Drüsenfunktionen, das sind die Primitiven. Echte Liebe geht tiefer, viel tiefer sogar. Echte Liebe stellt keine Forderungen, sondern setzt sich selbst Pflichten.«
»Darf ich eine Frage stellen?« warf NATHAN ein.
»Selbstverständlich«, antwortete ich verwundert. Als wenn NATHAN meine Erlaubnis benötigte, um mir Fragen zu stellen!
»Alles bewußte Sein hat doch die oberste Pflicht, sich selbst zu erhalten?« fragte die Inpotronik. »Ist das richtig?«
»Das läßt sich, glaube ich, nicht mit wenigen Worten beantworten«, erwiderte ich. »Natürlich hat jedes Lebewesen die Pflicht, sich selbst zu erhalten. Aber ich denke, diese Selbsterhaltungspflicht darf nicht zweckfrei sein, denn alles vernunftbegabte Leben im Universum ist zweckgebunden, und alle seine Bestrebungen müssen der Förderung dieser Zwecke dienen und nicht nur der bloßen Erhaltung seiner eigenen Existenz oder der Existenz seiner eigenen Art. Erst der, der davon erfüllt ist, kann selbst auch Erfüllung, Würde und Freiheit finden.«
»Du sprichst sehr seltsam für einen Terraner«, sagte NATHAN.
»Ich bin kein Terraner, sondern ein Marsianer der a-Klasse«, entgegnete ich ungewollt heftig.
»Das weiß ich«, erklärte NATHAN. »Aber ich rechne euch Marsianer der a-Klasse stets mit unter die Terraner, denn ihr stammt schließlich von Erdenmenschen ab.«
»Aber wir sind ein viel liebenswerterer Menschenschlag«, erwiderte ich. »Nimm doch nur mal dieses tibetische Scheusal Dalaimoc Rorvic. Er ist nicht nur äußerlich häßlich, sondern auch innerlich. Er ist faul, gemein, hinterhältig und …« Ich brach ab und starrte aus schreckgeweiteten Augen auf den blauhäutigen Zwerg, der wenige Schritte vor mir wie aus dem Nichts aufgetaucht war und eine drohende Haltung einnahm.
»Warum sprichst du nicht weiter, Tatcher?« fragte NATHAN.
Ich deutete auf den Zwerg. »Seinetwegen«, sagte ich. »Ich bin erschrocken, und ich habe Angst.«
»Ich kann nichts wahrnehmen, was dich erschreckt haben sollte«, meinte NATHAN.
Der Zwerg schnitt eine Grimasse und kam auf mich zu. Er hielt in der rechten Hand ein Krummschwert mit breiter Klinge. Ich wich zurück, aber er folgte mir und hob das Schwert.
»Dein Verhalten irritiert mich«, erklärte die Inpotronik. »Wovor weichst du zurück, Tatcher?«
»Siehst du den Zwerg nicht?« rief ich. »Er will mich töten!«
Der blauhäutige Zwerg drang auf mich ein, wobei er sein Schwert schwang, als wollte er mich von Kopf bis Fuß spalten. Ich sprang zur Seite, riß dabei meinen Paralysator aus dem linken Gürtelhalfter und schoß. Der Zwerg grinste. Plötzlich nahm sein Gesicht die Züge des Tibeters an.
»Mir kannst du nichts anhaben, Marszwerg!« dröhnte die tiefe, unendlich phlegmatische Stimme Rorvics in meinen Ohren. »Du kleiner, schwatzhafter Träumer meinst wohl, du könntest ein Gebilde wie NATHAN durch deine ungereimten Gesänge verdummen! Besinne dich endlich auf deinen Auftrag!«
»Hast du das gehört, NATHAN?« fragte ich. »Das war Dalaimoc Rorvic. Er hat diesen Zwerg zu mir geschickt, um mich zu erschrecken und zu demütigen.«
»Dalaimoc Rorvic …!« sagte jetzt NATHAN, und es klang trotz der metallisch klirrenden Stimme nachdenklich. »Nein, ich sehe nichts und höre nichts von ihm oder einem Zwerg. Aber ich kann mir denken, daß Dalaimoc Rorvic mit seinen parapsychischen Kräften eine immaterielle Projektion zu dir schickte. Der Tibeter ist ein Mensch mit seltsamen Fähigkeiten.«
»Er ist gar kein richtiger Mensch«, erwiderte ich, »sondern der Nachkomme eines Cynos, dem es mit Hilfe einer terranischen Frau gelang,
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