Silberband 074 - Konzil der Sieben
Beine auftauchten. Neben der für einen Beobachter schwer zu bestimmenden Anzahl von großen Gliedmaßen – Chinnel wußte, daß es sechzehn waren – gab es noch zahlreiche organische Verdickungen unter der weißen Haut.
Am oberen Ende von Calloberians Körper saßen drei Sehwülste, eine Sprechblase und ein schwammähnliches Hörorgan. Zur Nahrungsaufnahme benutzte der Fremde eine grobporige Hautfläche, durch die er eiweißhaltige Flüssigkeit in seinen Körper saugte. Calloberians Lieblingsnahrung war Milch, er verschmähte aber weder Bier, Wasser, Essig noch Öl, wenn es die Situation erforderte.
Als Anton Chinnel sich zurückziehen wollte, schwebte der Xisrape zu ihm herab. »Du bist noch wach, Ton?« Calloberian konnte mit seiner Sprechblase die Lautverbindungen ›an‹ und ›in‹ nicht hervorbringen. »Hoffentlich hast du dir kee Sorgen um mich gemacht.«
»Sargia hat dir noch eine Flasche Milch in dein Zimmer gebracht«, verkündete Anton. »Du weißt, daß morgen dein erster Schultag ist.«
In Terrania City gab es eine Schule für Extraterrestrier. Die ›Lehrkräfte‹ bestanden in erster Linie aus Translatoren und Positroniken, denn das war die einzige Möglichkeit, eine Unzahl verschiedenartiger Fremder zu unterrichten. Die Schule wurde von zwei erfahrenen Galakto-Psychologen und ein paar Helfern geleitet.
»Ich wünschte, du könntest me Lehrer se, Ton!« sagte Calloberian traurig.
»Dazu fehlen mir Erfahrung und Wissen«, erwiderte Chinnel. »Du sollst lernen, selbständig handeln zu können – auch auf einer für dich fremden Welt wie der Erde. Außerdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen. In der Schule wird man dich freundlich behandeln. Der Lernprozeß wird dir wie ein Spiel vorkommen.«
»Ich habe e bißchen Gst vor der psychologischen Arbeit«, gestand der Xisrape. »Manchmal kommt es mir vor, als sollte aus mir nun e Terrer gemacht werden.«
»Traust du das unseren Galakto-Psychologen wirklich zu?«
»Ne!« Die Antwort klang zögernd. Calloberian besaß keine sehr laute Stimme. Durch die ständigen pulsierenden Bewegungen der Sprechblase hörte sie sich an wie das Geräusch kochenden Wassers. Als er den Xisrapen bei sich aufgenommen hatte, war es Chinnels größtes Problem gewesen, Calloberian begreiflich zu machen, daß zwischen den einzelnen Worten eine Pause eingelegt werden mußte. Calloberian hatte zunächst alles mühsam Erlernte einfach hervorgesprudelt, so daß es kaum einen Sinn ergeben hatte.
Das war jetzt anders. Bis auf die Schwierigkeiten, die durch anatomische Unterschiede bedingt waren, klappte die Verständigung zwischen Calloberian und der Familie Chinnel ausgezeichnet.
»Du weißt, daß du uns in keiner Weise zur Last fällst«, fuhr Anton fort. »Aber es wäre deinem Selbstbewußtsein abträglich, wenn du nicht lernen würdest, eigene Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln. Du sollst völlig unabhängig werden. Dazu mußt du viel lernen.«
»Das begreife ich!« sagte Calloberian. Er drehte sich behutsam um die eigene Achse. Die äußeren, hauchdünnen Hautlappen richteten sich dabei schräg vom Körper ab. »Sicher wird es sehr teresst se!«
»Interessant!« Ab und zu verfiel Anton noch in den Fehler, die unvermeidlichen Wortvergewaltigungen des Xisrapen verbessern zu wollen. »Es ist auch wichtig, daß du mit anderen Extraterrestriern zusammenkommst. Das wird den Druck deiner Einsamkeit mildern, die sich früher oder später einstellen muß. Dabei kommt es vor allem darauf an, daß du mit den anderen Xisrapen an der Schule öfter zusammen bist.«
»Ich habe mich dieses Haus gewöhnt«, meinte Calloberian. »Es ist so, daß ich mir nicht vorstellen k, es für längere Zeit zu verlassen.«
»Sargia, Meckton und ich werden dich auch sehr vermissen«, gab Chinnel zu. »Aber es ist schließlich keine Trennung auf Dauer. Wir sehen uns jedes Wochenende, abgesehen von den Ferien.«
»Ich weiß, was ihr alles für mich get habt.« Eines der vier Ärmchen erschien und berührte Chinnel sanft im Gesicht. »Dafür b ich euch sehr dkbar.«
Als Calloberian durch das Dachfenster ins Innere des Hauses schweben wollte, erloschen plötzlich am Himmel die Sterne. Es war ein so abrupter, unerwarteter Vorgang, daß ihn weder Chinnel noch der Xisrape sofort wahrnahmen und begriffen. Spürbar wurde zunächst nur eine stimmungsmäßige Veränderung. Ein drohender Schatten fiel über das Land. Anton Chinnel hatte das Gefühl, als wollte ihm etwas die Luft
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