Silberband 075 - Die Laren
Energiewesen für Aufregung. Jedenfalls hatte Rhodan den Eindruck, daß das Öffnen des HÜ-Schirmes für das Durcheinander verantwortlich war, das plötzlich unter den Energiespiralen entstand.
Jetzt gab es auch für Rhodan keinen Zweifel mehr, daß es sich hier um Lebewesen handelte, bei denen die treibende Kraft Intelligenz war. Diese natürlich auch in fremdartiger Form. Aber die Energiewesen zeigten eine Reaktion, eine Verhaltensweise, die für den menschlichen Geist sogar leicht verständlich war.
Der HÜ-Schirm wurde abgeschaltet, dieses Energiegebilde, das sie für eine artverwandte Lebensform gehalten haben mochten, verging, und die Energiewesen zeigten sich verwirrt. Oder, um genauer zu sein, sie zeigten ein Verhalten, das von Menschen als Verwirrung oder Überraschung ausgelegt werden mußte.
Rhodan hielt den Atem an, als eines der Energiewesen sich aus dem unüberschaubaren Heer löste und sich ihm näherte. Die Energiespirale war etwa so groß wie er und besaß etwa ein solches Hypervolumen, wie es umgerechnet seiner Körpermasse entsprach. Rhodan blieb ruhig stehen, war aber bereit, jederzeit in das hinter ihm befindliche Transmitterfeld zu springen. Er hoffte nur, daß das Wesen von dem Transmitterfeld nicht abgelenkt wurde. Aber diesen Eindruck hatte er nicht. Der Fremde aus dem Hyperraum näherte sich ihm selbst!
Zwei Schritte vor ihm hielt die Energiespirale an. Sie wirbelte immer noch, aber es entging Rhodans Aufmerksamkeit nicht, daß eine Veränderung mit ihr vor sich ging.
Und dann hatte die Energiespirale Rhodans Aussehen angenommen. Es lief alles so schnell ab, daß Rhodan die einzelnen Phasen der Metamorphose überhaupt nicht mitbekam. Er sah nur das fertige Endprodukt vor sich – und das war er selbst. Nur daß sein Doppelgänger keinen Raumanzug trug. Als akzeptiere das Energiewesen die Existenz von toter Materie nicht und als anerkenne es nur organische, beseelte Materie, hatte es Rhodan nackt dargestellt. Rhodan wurde wütend, als er in seinem Helmempfänger ein Kichern wahrnahm.
Aber das Lachen verging den anderen schnell. Denn schon machten auch die anderen Energiewesen eine Verwandlung durch. Sie nahmen alle menschliche Gestalt an – allerdings mit unterschiedlichem Erfolg.
Rhodan erblickte sich selbst in einigen hundert verschiedenen Variationen, und auch von seinen Begleitern existierten bald Hunderte von Exemplaren, von denen eines dem anderen jedoch nicht hundertprozentig glich. Manche der Ebenbilder waren nur fußgroß, andere ragten zwanzig Meter und mehr in den atmosphärelosen Himmel von Merkur hinauf. Es gab Ebenbilder mit zu kurzen Armen oder Beinen, solche, deren Köpfe auf langen Hälsen saßen oder zwischen schiefen und ungleich breiten Schultern eingeklemmt waren; Ebenbilder ohne Hände, Ebenbilder ohne Köpfe – Zerrbilder von Menschen.
Es war wie in einem Spiegelkabinett, in dem Zerrspiegel und anderweitig manipulierte Reflexionsflächen den Betrachter in den absurdesten Verzerrungen darstellten.
Rhodan führte diesen Drang zum Nachäffen auf die Mentalität der Energiewesen zurück. Er sah darin sogar einen Erfolg seiner Bemühungen, den Kontakt zwischen ihren beiden so grundverschiedenen Rassen herzustellen. Die Energiewesen hatten die Menschen als Herren dieser Welt anerkannt – und vor allem erkannt! Rhodan sah darin den ersten Schritt zur Verständigung. Doch da irrte er.
»Sir!«
Rhodan folgte mit den Augen dem ausgestreckten Arm eines seiner Begleiter, der auf die über die Oberfläche von Merkur hinausragenden Anlagen des Haupt-Gezeitenwandlers wies. Zwischen den Riesentürmen, von denen der einen Kilometer durchmessende Hypertronzapfer in den Himmel und Richtung Sonne wies, waren weitere Ungeheuer aufgetaucht, die alle menschliches Aussehen angenommen hatten.
Es waren Riesen von durchwegs fünfzig Metern Größe; sie hatten Gesichter ohne Sinnesorgane, Arme ohne Hände, Stummel- und Stelzenbeine. Als sie sich dem Hypertronstrahl näherten, schlugen von diesem plötzlich Blitze auf die riesigen Energiewesen über, die Zerrbilder von Menschen darstellten. Dann zogen sich die gespenstischen Gestalten in die Länge, strebten dem Hypertronstrahl zu – genauso, als würden sie von diesem angezogen und aufgesogen werden.
So mußte es sich auch verhalten haben. Denn so schnell, daß das Auge nicht folgen konnte, praktisch mit Lichtgeschwindigkeit, verschwanden die Energiewesen im Hypertronzapfer, der nur für einen Sekundenbruchteil heller
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