Silberband 081 - Aphilie
hob er den Kopf und sagte mit veränderter Stimme: »Ich hoffe, dass du mich hören kannst, Michael! Ich weiß jetzt, was all die Jahre geschehen ist, denn ich bin …« Der Ton brach ab, und deutlich war zu sehen, dass Bull mit Gewalt von der Kamera weggerissen wurde.
»Er hat versucht, mir eine Nachricht zu geben«, sagte teer Nagel erschüttert. »Und ich habe ihn verstanden.«
Crelty starrte ihn von der Seite her an. Teer Nagel wurde sich in dem Moment der Tatsache bewusst, dass er einen schweren Fehler begangen hatte.
»Michael!«, sagte der Outsider betont. »Michael Rhodan oder Roi Danton.«
Sie schauten sich an. »Was werden Sie jetzt tun?«, fragte teer Nagel schließlich.
»Wir haben ein Abkommen, alter Mann«, erinnerte Crelty langsam.
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, denn jetzt erschien Minister Toschia auf dem Schirm. »Ich werde die Erklärung des zurückgetretenen Regierungschefs verlesen«, sagte er. »Wie Sie alle festgestellt haben, ist Reginald Bull erkrankt.«
»Er vermeidet das Wort verrückt«, sagte Crelty. »Wie höflich.«
»Mein angegriffener Gesundheitszustand zwingt mich dazu, die Regierungsgeschäfte niederzulegen«, las Toschia. »Die Regierung in ihrer Gesamtheit bleibt bestehen und wird aus ihrer Mitte einen Nachfolger bestimmen.«
Crelty zog teer Nagel mit sich hinaus. »Kommen Sie«, sagte er. »Das müssen wir uns nicht anhören.«
»Ich habe Angst um ihn«, raunte teer Nagel, als sie wieder im Freien standen.
»Hm«, machte Crelty. Er umklammerte den getrockneten Frosch auf seiner Brust. »Sie werden Bull gewiss nicht gleich umbringen, aber ich nehme an, dass sie ihn behandeln werden. Sie versuchen, alle Verrückten, die sie erwischen können, zu heilen. Dabei sind schon viele Immune umgekommen.«
»Wir müssen uns beeilen!«, drängte teer Nagel.
Crelty sah ihn aufmerksam an. »Ich weiß nicht, ob Sie die richtige Persönlichkeit für diesen Auftrag gewählt haben …«
»Keine Sorge«, gab teer Nagel zurück. »Sobald wir den Transmitter erreicht haben, werde ich in besserer Verfassung sein.«
»Ich war noch nie im Zentrum von Imperium-Alpha«, gab Crelty zu. »Das kann ein Hindernis sein. Vielleicht wollen Sie lieber auf mich verzichten.«
»Ich wüsste gern mehr über Sie«, sagte teer Nagel offen. »Und über diese getrockneten Dinger, die Sie wie Münzen verteilen.«
Es war ein Schuss ins Blaue, aber er zeigte Wirkung. »Sie haben gesehen, wie ich den Piloten bezahlte?«
»Ja. Was kann ein Aphiliker mit einem getrockneten Frosch anfangen?«
Crelty griff in die Hosentasche und zog ein weiteres Tier hervor. Er übergab es teer Nagel. Der alte Mann nahm das Geschenk zögernd an sich.
Crelty lächelte. »Es wird Ihnen Glück bringen!«, sagte er.
Chefpsychologe Koscharp war für Reginald Bull kein Unbekannter, aber ihre früheren Treffen hatten unter anderen Voraussetzungen stattgefunden. Die Aphiliker hatten Bull ins medizinische Zentrum von Imperium-Alpha gebracht. Hier sollte er zunächst behandelt werden.
Koscharp war ein massiger Mann. Er galt als hochintelligent und gerissen. Bull wusste, dass Koscharp großen Einfluss auf verschiedene Minister hatte. Der Chefpsychologe war aber dem Regierungschef stets mit Respekt begegnet.
Bull brauchte Koscharp nur anzusehen, um zu erkennen, dass diese Ära vorüber war. Koscharp schien es zu genießen, Bull als Patienten zu haben; er saß mit übereinander geschlagenen Beinen vor dem Bett, an das man Bull gefesselt hatte.
»Die besondere Tragik Ihrer Krankheit liegt darin, dass weder Sie noch andere davon Betroffene diesen Zustand als Krankheit akzeptieren wollen«, sagte Koscharp. »Damit ist schon jede Bereitwilligkeit ausgeschlossen, dass Sie Hilfe annehmen.« Hinter ihm standen zwei Ärzte, bereit, auf den kleinsten Wink ihres Chefs zu reagieren. Bull wusste noch nicht, welche Behandlung sie sich für ihn ausgedacht hatten, aber er befürchtete, dass sie alles andere als angenehm sein würde.
»Sie verstehen sich als Normaler, nicht wahr?«, forschte Koscharp.
»Ja«, sagte Bull. Er war nicht darauf aus, lange Gespräche zu führen.
»In Ihren Augen bin ich der Kranke.« Koscharp schüttelte den Kopf. »Sie glauben, dass all die mit Emotionen beladenen Wesen, die über Jahrtausende hinweg die Geschicke der Menschheit bestimmten, gesund waren.«
»Nicht unbedingt«, gab Bull zurück. »Es geht nicht um Emotionen, sondern allein um die Nächstenliebe, ohne die unsere Menschheit nicht weiterbestehen
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